Peaks of the Balkans – auf eigene Faust durch die totale Isolation (Etappe 6 & 7)

Wir wachen im Zelt neben einem albanischen Hirtendorf auf und blicken auf unsere erste Herausforderung des Tages: Eine 500 Meter hohe Felswand… Außerdem erzählen wir Euch, warum wir nach sieben Tagen schon wieder in Plav sind und wie der schönste See unserer Reise aussieht. – Der Peaks of the Balkans, Etappe 6 & 7…


Peaks of the Balkans Etappen 1 – 5 und weitere Montenegro Beiträge

Wenn ihr unsere Beiträge über die ersten fünf Etappen des Peaks of the Balkans noch nicht gelesen habt, könnt ihr dies hier für die Etappen 1 & 2 und hier für die Etappen 3 – 5 nachholen. In dem ersten Bericht findet ihr auch einige allgemeine Informationen zu dem Wanderweg. Der Schwierigkeitsgrad der Strecke war für uns nie das Problem, abgesehen von den fehlenden Wegmarkierungen *grins. Allerdings braucht es schon ein wenig Kondition, um morgens zu Beginn der Etappe mal eben 1.000 Meter hochzulaufen und nach dem Tag im Gebirge wieder runter.

Welche Vorbereitungen wir getroffen haben, was es für Formalitäten zu beachten gab, wie der Inhalt unseres Rucksacks aussah und vieles mehr haben wir Euch in einem extra Bericht zusammengestellt.

Nach der Wanderung sind wir noch eine Woche durch Montenegro gereist, um das Land auch außerhalb der verlassenen Bergregion kennenzulernen. Diesen Bericht findet ihr hier.

Auf unserer Wanderung des Peaks of the Balkans haben wir sehr viel erlebt. Besonders die letzte Etappe hat uns einige Nerven gekostet. Wir lassen Euch nicht länger im Ungewissen und erzählen Euch, wie es mit dem Hund neben dem Zelt weiter ging, der laut Thomas Aussage im Halbschlaf ganz weit weg ist…

6. Etappe Dobërdol – Babino Polje (MNE)

ca. 19 km – 800m ↗ – 1.500 m ↘

Kläffender Hundebesuch in der Nacht

Ich merke und höre noch längere Zeit den Hund neben mir und habe das Gefühl, er kommt gleich ins Zelt. Er bellt auffordernd, als ob er darauf wartet, dass das von ihm auserkorene Objekt der Begierde sich regt und er zum Angriff übergehen kann. Thomas schläft. Ich versuche weiter, mich nicht zu bewegen. Nach einer gefühlten Ewigkeit läuft der Hund weg. Ich bin sehr erleichtert und ich schlafe blitzschnell ein. Am nächsten Morgen werden wir von der Sonne und der Wärme im Zelt geweckt. Das erste was Thomas sieht: Der Hund – der ja angeblich so furchtbar weit weg war – hat unser Zelt markiert! Und er muss groß gewesen sein: Ein schöner gelber Strahl von oben bis unten über das ganze Vorzelt. So viel zu der Entfernung…

Wir frühstücken im Zelt und als wir gerade beginnen, unsere Sachen zusammenzuräumen, kommt ein älterer Mann zu uns gelaufen. Er guckt neugierig in unser Zelt und fragt uns (so verstehen wir seine Mimik und Gestik zumindestens), warum wir hier im Zelt sind und nicht bei ihm unten in der Hütte. Wir zeigen auf den großen Schäferhund, der lammfromm und total entspannt hinter ihm herläuft und imitieren ein Bellen. Er lacht nur.

Käse und Schnaps zum Frühstück in Dobërdol

Obwohl wir ihm sagen, dass wir schon gegessen haben, besteht er darauf, dass wir bei ihm frühstücken. Es gibt frische Schafsmilch, Joghurt, selbstgebackenes Brot und jede Menge Käse. Er setzt sich zu uns und verteilt eine Runde Schnaps. Der gehört hier einfach zu jeder Mahlzeit dazu. Sein Sohn kümmert sich um die Schafe und freut sich, dass wir uns so für die Tiere interessieren. Seine Frau kommt immer wieder mit noch mehr Essen aus dem Haus gelaufen und ist dann gleich wieder weg.

Später ruft er noch seine Enkeltochter zu uns, denn sie spricht sogar ein paar Wörter Englisch. Aber sie ist sehr schüchtern und fühlt sich sichtlich unwohl, weshalb wir ihr keine weiteren Fragen stellen. Im Winter geht sie in der nächstgrößeren Stadt zur Schule, im Sommer wohnen sie alle zusammen in den Bergen. Wir „erzählen“ noch ein bisschen von unserer Wanderroute und zeigen ihm unsere Karte der Region. Die Verständigung klappt auch ohne Worte.

Peaks of the Balkans Albanien Doberdol Fruehstueck Schaeferhuette Kaese
Frühstück bei einer Hirtenfamilie in Dobërdol
Peaks of the Balkans Albanien Doberdol Hirtendorf Zelten
unser Zeltplatz in den albanischen Bergen vor dem kleinen, verlassenen Holzhaus
500 Meter Felswand zum sechsten Etappenbeginn

Dobërdol liegt wirklich sehr abgeschieden in den Bergen, noch mehr, als alle anderen Dörfer, die wir davor besucht haben. Wir wundern uns, dass die Ansammlung von Hütten überhaupt einen eigenen Namen hat. Erreichbar ist Dobërdol nur zu Fuß über die Maultierwege und bewohnt sind die Hütten nur im Sommer. Von hier aus verläuft der Peaks of the Balkans Wanderweg die nächsten drei Etappen über Milishevc, Reka e Allagës und Kucishtë durch den Kosovo.

Wir haben uns allerdings dazu entschieden, diese drei Etappen auszulassen. Von Dobërdol aus gibt es eine alternative Strecke, auf der man den Peaks of the Balkans in sieben Tagen laufen kann. Wir haben uns dazu entschieden, weil uns so noch etwas mehr Zeit für den Besuch des restlichen Montenegro bleibt. Zuvor haben wir auch gelesen, dass die Etappen im Kosovo die am wenigsten schönen sein sollen, aber anhand der Bilder, die wir gesehen haben, können wir das nicht bestätigen. Wahrscheinlich ist das nur die Begründung von denen, die abgekürzt haben *grins.

Der Beginn der Etappe ist für die Sieben- und Zehntagestour noch gleich und hat es in sich! Die gefühlt senkrechte Felswand vor uns haben wir schon vom Zelt aus gesehen. Auf dem Foto sieht es gar nicht so schlimm aus, aber auf den ersten 1,5 Kilometern geht es 500 Höhenmeter hoch!

Peaks of the Balkans Albanien Doberdol Zelten Bergwiese
toller Blick aus dem Zelt auf die Berge – da möchten wir gleich hoch

Der Schäfer, der auch zu unserem Zelt gekommen war, begleitet uns noch ein Stück und zeigt uns, dass wir den Berg im Zickzack hochlaufen sollen. Auch wenn wir das ohnehin gemacht hätten, freuen wir uns über seine Hilfsbereitschaft. Praktischerweise gibt er gleich noch einem anderen Schäfer Bescheid, der weiter drüben auf der Wiese sitzt, dass wir jetzt auf dem Berg unterwegs sind. So pfeift dieser seinen Schäferhund direkt zu sich und wir haben freie Bahn.

Unabhängig von unserem gestrigen Erlebnis würden wir Euch hier in den Bergen immer empfehlen, den Kontakt zu dem Schäfer aufzunehmen, sobald ihr eine Tierherde seht. Denn die Schäferhunde sind meist groß und sehr darauf bedacht, ihre Herde zu beschützen und Fremde fernzuhalten.

Entlang der Grenze zwischen Montenegro und dem Kosovo

Die ersten 500 Höhenmeter haben uns ganz schön geschafft, vor allem mit dem zusätzlichen Käse-Frühstück im Magen. Der in Öl gebackene Schafskäse ist vielleicht nicht das beste Essen vor so einer Wanderung *grins. Oben auf dem ersten Berg der Etappe haben wir einen tollen Ausblick auf Dobërdol und staunen noch einmal über unseren fantastisch gelegenen Zeltplatz der letzten Nacht. Gleichzeitig stehen wir schon fast im Kosovo. Auch diesmal laufen wir jedoch über eine grüne Grenze, weshalb wir den konkreten Grenzübertritt gar nicht mitbekommen. Wir können es aus den Angaben im Wanderführer in etwa abschätzen und merken es an den geänderten Wegmarkierungen (rot-weiß-rot statt weiß-rot-weiß).

Wir laufen eine ganze Weile entspannt durch eine Hochebene, ohne viele Höhenmeter zu machen. Die Sonne scheint, es ist angenehm warm und wir bringen die Kilometer viel schneller hinter uns als gedacht. Schon bald stehen wir am fünf Kilometer entfernten Roshkodol Pass. Auf dem Weg sehen wir immer mal wieder große rote Plastikblumen, die an den Felswänden befestigt wurden. Was es damit auf sich hat, finden wir leider nicht heraus.

Am Roshkodol Pass legen wir eine kurze Pause ein, um die Aussicht zu genießen, bevor wir mit dem Abstieg beginnen. Als wir um einen Berg herum laufen, hören wir Stimmen vor uns. Das wären, abgesehen von Valbona und Theth, die ersten Wanderer, die wir auf der Strecke treffen. Wir sind gespannt. Doch als wir um die Ecke biegen, sehen wir mehrere Personen in Militäruniform. Sie scheinen tatsächlich die Grenze zu Montenegro zu überwachen, an der wir seit längerer Zeit entlang laufen. Wir bleiben kurz stehen und sind uns nicht sicher, wie wir uns verhalten sollen.

Da wir eine offizielle Genehmigung für den Grenzübertritt haben, kann uns eigentlich nichts passieren. Trotzdem möchten wir nicht unbedingt kontrolliert werden. Wir Schisser… *grins. Wir beschließen, einfach langsam weiter zu gehen. Das Militär läuft in die gleiche Richtung wie wir, aber deutlich schneller. Sie bemerken und/oder beachten uns nicht. Dann erreichen wir den Abzweig zu unserem Etappenziel, Babino Polje, in Montenegro. Die Soldaten laufen geradeaus weiter in den Kosovo.

Peaks of the Balkans Kosovo Wanderweg Berge
wunderschöne Aussichten und Wanderwege im Kosovo
Peaks of the Balkans Kosovo Bergwiese Vegetation
die Landschaft auf unserer heutigen Etappe ist abwechslungsreich und immer beeindruckend
Peaks of the Balkans Kosovo Roshkodol Pass
Blick auf den Peaks of the Balkans Wanderweg vom Roshkodol Pass
Peaks of the Balkans Kosovo Montenegro Wanderweg Bergwiese
unendlich weite, bunte Wiesen auf dem Weg nach Babino Polje
Blaubeeren und Gastfreundschaft

Kurz vor unserem heutigen Etappenziel Babino Polje kommen wir während des Abstiegs an einer Holzhütte vorbei. Davor sitzen zwei Männer und unterhalten sich. Als auch wir die Hütte erreichen, kommen wir sofort ins Gespräch. Die beiden haben einen riesigen Korb mit Blaubeeren neben sich stehen und müssen eine ganze Weile gesammelt haben. Sie laden uns ein, bei ihnen zu übernachten. In Babino Polje hätten sie gerade ein Holzhaus fast fertig gebaut und sie hätten genug Platz. Der kleine Ort sei nicht weit entfernt, wir könnten ihnen einfach folgen.

Wir nehmen das Angebot gerne an. Nur das mit dem „einfach folgen“ funktioniert nicht. Die beiden kennen sich hier bestens aus und haben im Gegensatz zu uns kein Gewicht auf dem Rücken. Sie rennen so dermaßen schnell durch den Wald bergrunter, dass wir sie bald aus den Augen verloren haben. Als wir die letzten Meter aus dem Wald heraus laufen, kommen wir zu einem kleinen Bach. Es sind ein paar Holzdielen darüber gelegt, um ihn überqueren zu können. Irgendwann sehen wir jemanden winken und ein neues Holzhaus im Wald stehen. Unser Tagesziel haben wir damit erreicht.

Als wir in das Haus eintreten, haben die beiden bereits begonnen, die Blaubeeren einzukochen. Mmh, wie das duftet! Unser Gastgeber Almir führt uns durch das Haus. Wir sind beeindruckt, was die beiden hier im wahrsten Sinne des Wortes hingestellt haben. In der oberen Etage stehen zehn Betten, die wir alleine zur Verfügung haben. Wir dürfen die Küche benutzen und sogar alle Lebensmittel, die wir finden können. Es wird ein gemütlicher Abend mit den beiden. Später kommen auch noch Freunde von ihnen vorbei. Wir sprechen Englisch und Spanisch und freuen uns über den Austausch. Bis wir ins Bett gehen riecht das ganze Haus nach Blaubeersaft – und ein bisschen nach Gras…

7. Etappe Babino Polje – Plav

ca. 22,3 km – 700m ↗ – 1.200 m ↘

Kaffee am Morgen und geheimnisvoller Bergsee

Als wir aufstehen, schlafen unsere beiden Gastgeber noch. Auf dem großen Holzofen in der Küche bereiten wir uns frischen Kaffee zu. In dem gemütlichen Wohnzimmer des Holzhauses starten wir so sehr entspannt in den Tag. Die Höhenmeter der heutigen Etappe, die wir berghoch laufen, sind zum einen eher gering und zum anderen gut verteilt. Es wird also keine steilen Aufstiege mehr geben. Der letzte Abstieg nach Plav hat es dann allerdings noch einmal in sich. (Wie sehr, das ahnen wir am Morgen mit unserer Tasse Kaffee in der Hand noch nicht…)

Auf dem Weg nach Plav können wir einen Zwischenstop an dem Bergsee Hrid (jezero) einlegen. Dazu haben uns unsere Gastgeber dringend geraten. Sie schwärmen von den Besuchen im Sommer, wenn sie alleine an dem tiefblauen See sind. Einer Legende nach wisse man nicht, wo das Wasser des Sees herkommt. Und die Landschaft sei einmalig mystisch schön. Nur, wenn man außerhalb des Sommers dort hochläuft, muss man aufpassen, dass man nicht im Moor versinkt. Na, das sind ja tolle Aussichten…

Peaks of the Balkans Montenegro Babino Polje Unterkunft Holzhaus
vor unserer Unterkunft: startklar für die letzte Etappe
Mit Freude und ein bisschen Wehmut in die letzte Etappe

Wir verabschieden uns und laufen von dem kleinen Holzhaus weiter durch den Wald. Zwischendurch folgen wir immer mal wieder für eine Weile einem Schotterweg. Dies ist meist ein Zeichen dafür, dass wir bald zu einer kleinen Ansiedlung kommen. Einmal steht sogar ein Traktor am Wegesrand, obwohl die Schlaglöcher auf der Piste so tief sind, dass wir uns locker darin verstecken könnten.

Danach verläuft sich der Weg wieder im tiefgrünen Nadelwald. Der Wald ist wirklich sehr schön. Der Boden ist bedeckt von den Nadeln der Bäume und von weichem, grünen Moos, welches in der Sonne glitzert. Es ist wirklich idyllisch, hier alleine in aller Ruhe und Abgeschiedenheit durch den Wald zu laufen.

Peaks of the Balkans Montenegro Nadelwald
Eindrücke aus dem Wald auf unserer letzten Etappe des Peaks of the Balkans
Peaks of the Balkans Montenegro Nadelwald mystisch
Nadelwald in Montenegro zwischen Babino Polje und Plav
Peaks of the Balkans Montenegro Nadelwald Bach
die Landschaft ändert sich, als wir uns dem Bergsee Hrid nähern
Von einem Stein zum nächsten durch das Moor

Nachdem wir den Wald vorerst hinter uns gelassen haben, wird unser Wanderweg sehr schnell sehr schlecht. Oder besser gesagt: Wir sehen ihn nicht mehr! Zuerst denken wir uns nichts dabei und laufen weiter, zwischen den Steinen durch. Doch nach ein paar Schritten wird der Untergrund deutlich weicher und nasser und dann, beim nächsten Schritt – zack, eingesunken! Puh, habe ich mich erschrocken! OK, wir sind im Moor angekommen.

Wir klettern erst einmal zusammen auf einen großen Stein und verschaffen uns einen Überblick, wo wir entlang gehen können. Die nächste halbe Stunde hüpfen wir von einem Stein auf den anderen – die fortgeschrittene Version von „Keiner darf den Boden berühren“ *grins.

Der wunderschöne, blaue Bergsee?

Dann stehen wir vor einem See und sind richtig enttäuscht. Dieser dunkle Tümpel soll nun der wunderschöne Bergsee sein? Er sieht so trostlos aus, dass wir noch nicht einmal anhalten und einfach weiter laufen. Nach einer viertel Stunde, als wir den See gedanklich schon abgehakt haben, taucht dieser plötzlich vor uns auf! Die Farbe des Wassers, die Landschaft drumherum, die Lage, alles ist auf einmal so unvermittelt da, dass wir echt sprachlos sind.

Der Bergsee Hrid jezero liegt auf einer Höhe von fast 2.000 Metern und ist ausschließlich über den Wanderweg zugänglich, über den wir gekommen sind. Während ich diesen Beitrag schreibe, lese ich im Internet, dass der Hrid auch See des Glücks genannt wird. Es habe sich eingebürgert, dass Menschen Geld oder Schmuck in den See werfen, um Glück zu bekommen. Davon hatten uns unsere Gastgeber in Babino Polje nichts erzählt… Aber bitte lasst den Quatsch und schmeißt nichts in die Natur, was da nicht hingehört. Lasst uns lieber alle zusammen diese Schönheit erhalten!

Peaks of the Balkans Montenegro Hrid jezero Moor
unser „Weg“ durch das Moor
Peaks of the Balkans Montenegro Hrid jezero Moor Steine
im Moor vor dem Hrid See klettern wir von Stein zu Stein
Peaks of the Balkans Montenegro Hrid jezero See
der Peaks of the Balkans Wanderweg führt direkt am Seeufer vorbei
Ohne Wegmarkierung bleibt nur die Karte – oder die Intuition…

Nach unserer Pause am See mit diesem herrlichen Ausblick, klettern wir ein Stück weiter das Seeufer hoch. Von oben haben wir nochmals einen tollen Blick auf den Hrid See. Gedanklich sind wir jetzt schon fast am Ziel, da wir ja nur noch etwa 1.000 Höhenmeter nach Plav „runter müssen“… Über Feldwege steigen wir langsam ab in das nächste Tal.

Wir laufen durch mehrere Waldstücke, bis wir irgendwann laut unserer Karte und dem Wanderführer abbiegen müssten, wir aber keine Markierung finden können. Das würde heißen, unser Weg geht weiter geradeaus. Wieder so eine Entscheidung: Karte vs. Markierung vor Ort – Was tun? Wir sind unterschiedlicher Meinung. Aber das hilft nicht, eine Entscheidung muss her. Wir nehmen den größeren Weg und biegen nicht ab. Nach einer Weile stehen wir auf einer privaten Weide und jetzt ist es sicher, dass ist nicht unser Weg! Nun gut. Die grobe Richtung stimmt aber und wir möchten nicht umkehren. Also laufen wir durch das kniehohe Gras der Wiese weiter geradeaus.

Weiter unten sehen wir zwei Kinder, die eine Schafherde und den zugehörigen Schäferhund beaufsichtigen. Wir machen uns bemerkbar und sie winken uns zu. Das ist für uns das Zeichen, dass wir weiter gehen. Wow, als wir näher kommen, erkennen wir, dass der kleinere der beiden Jungs höchstens fünf Jahre alt sein kann. Als der Schäferhund, der größer ist als der Junge, gerade anschlagen möchte, weil wir zu nahe kommen, weist der kleine Junge den Hund dermaßen streng zurück, dass er sofort ruhig ist. Der kleine Junge hat den Hund voll im Griff.

Unglaubliche Begegnung: Wir bekommen eine eigene Brücke!

Wir fragen den größeren der beiden, der vielleicht dreizehn Jahre alt ist, wie wir nach Plav kommen. Er zeigt auf einen Waldweg, der sicherlich 400 Höhenmeter oberhalb der Wiese verläuft. Wir gucken uns nur an und möchten auf jeden Fall vermeiden, da noch einmal hoch zu laufen! Ich weiß nicht, ob der Junge unsere ungläubigen Blicke gesehen hat, aber er scheint sich eine Alternative zu überlegen. Er mustert uns, als ob er einschätzen wollte, welche Strecke er uns zumuten kann. Dann läuft er plötzlich los und deutet uns, mitzukommen.

Er ist so schnell unterwegs, dass wir ihm kaum über die Wiese und über den Zaun folgen können. Hinter dem Zaun geht es gefühlt senkrecht eine Böschung hinunter zu einem kleinen Fluss. Unsere Rucksäcke schieben uns vorwärts und wir haben Mühe, den Halt nicht zu verlieren. Der Junge wartet schon unten am Fluss, als wir noch auf der halben Höhe der Böschung herumrutschen.

Als wir weit genug aufgeholt haben, beginnt er, eine Brücke über den Fluss zu bauen. Wir geben ihm zu verstehen, dass wir auch einfach durch das Wasser laufen oder unsere Schuhe ausziehen können, aber das kommt nicht in Frage! Er holt Baumstämme aus dem Wald, die größer und breiter sind als er. Mit einer Leichtigkeit stemmt er das Holz hoch, bis es aufrecht vor ihm steht, um es dann an der richtigen Stelle in den Fluss fallen zu lassen. Zwei weitere Baumstämme lässt er mit Hilfe gezielter Tritte in den Fluss rollen. Dann springt er zwischen verschiedenen Steinen im Fluss hin und her, wackelt an den Baumstämmen und rutscht sie mehrmals zurecht, bis er mit seinem Werk zufrieden ist.

Wir können nur erstaunt zugucken, denn er lehnt jede Hilfe ab. Wahrscheinlich hätten wir ihm ohnehin nur im Weg rumgestanden, denn seine Bewegungen sind so schnell und zielgerichtet, als ob er jeden Tag eine Brücke bauen würde. Auf der anderen Seite des Flusses bedanken wir uns mehrfach und würden ihm gerne etwas zurückgeben. Doch er winkt es als selbstverständlich ab und ist so blitzschnell wieder weg, wie er uns hierher gebracht hat.

Nun müssen wir nur noch der Straße folgen, die am oberen Ende der Böschung auf uns wartet, dann sind wir quasi schon am Ziel. Wir sind froh und erleichtert, dass wir nun auf einem Weg nach Plav sind, wenn es auch nicht der offizielle Peaks of the Balkans ist. Oben angekommen, sieht das allerdings schon wieder ganz anders aus…

Peaks of the Balkans Montenegro Erdrutsch Waldweg Plav
der ersehnte Weg nach Plav ist in großen Teilen zerstört
Peaks of the Balkans Montenegro Erdrutsch Waldweg Plav
steiler Abstieg zwischen großen Felsbrocken
Sichere Rückkehr nach Plav trotz Erdrutsch

Wir hoffen, dass der „Weg“ oder die Reste, die vom Erdrutsch noch übrig sind, ausreichen, um darauf bis zur nächsten größeren Straße zu gelangen. Die Abschnitte sind teilweise sehr steil und hin und wieder kullert noch so ein Steinbrocken aus dem Abhang rechts von uns und vor uns über den Weg.

Irgendwann sehen wir eine asphaltierte Straße und am Horizont Plav in den Hügeln liegen. Das letzte Stück der Strecke ist nicht weiter interessant – aber es ist natürlich auch nicht der Peaks of the Balkans Weg. Es fährt nur ein einziger Pickup an uns vorbei, der eine Kuh auf den Anhänger geladen hat, und ein paar Ziegen kreuzen unseren Weg. Ansonsten haben wir die Straße für uns alleine. Wir freuen uns, als wir das Zentrum von Plav erreichen, an dem wir vor sieben Tagen losgelaufen sind!

Peaks of the Balkans Montenegro Strasse Huegel Plav
diese Straße führt uns zurück nach Plav
Resümee bei einer Riesenportion ćevapi

Unsere Sachen, die wir in der Bar in Plav abgegeben haben, möchten erst nicht auftauchen, aber am Ende bekommen wir sie doch wieder zurück. Ein freies Zimmer finden wir auch sehr schnell. Somit können wir endlich zu dem kleinen Imbiss gehen, den uns unsere Gastgeber in Babino Polje empfohlen haben. Almir’s Cousin serviert hier die besten ćevapi, die man bekommen kann. Nach kurzer Zeit ist unser Tisch gefüllt mit vier großen und duftenden Broten, eingelegter Paprika, Krautsalat, Tomaten und einem Teller mit 20 ćevapi ! Bestellt hatten wir ćevapi für zwei und viele Grüße von Almir ausgerichtet. Möglicherweise hatte das Einfluss auf die Portionsgröße *grins. (Die gegrillten Hackfleischröllchen werden auf Serbokroatisch, was auch im heutigen Montenegro gesprochen wird, ćevapi genannt. In Deutschland sind sie meistens unter dem slowakischen Wort ćevapčiči bekannt.)

Für uns ist es der perfekte Abschluss einer Wanderung durch den Balkan. Wir lassen die letzten sieben Tage Revue passieren und denken auch an den Start der Wanderung, als uns am Abend vor der ersten Etappe die Gäste in einem anderen Imbissrestaurant Horrorgeschichten über die Grenzsoldaten erzählten. Tatsächlich haben wir überall nur sehr nette und hilfsbereite Menschen kennengelernt. Wir freuen uns, über all die Erlebnisse der letzten sieben Tagen und werden die Wanderung auf dem Peaks of the Balkans und die Entdeckung der Region wohl so schnell nicht vergessen!


Insgesamt sind wir etwa 136 Kilometer durch das verlassene Karstgebirge im Dreiländereck des Balkans gelaufen. Wir sind 6.600 Höhenmeter hoch und wieder runter gewandert, geklettert und manchmal gerutscht. Für uns war es die richtige Entscheidung, den Weg auf sieben Etappen zu verkürzen. So haben wir noch etwas mehr Zeit, um den Rest des Landes zu erkunden. Wir sind sehr gespannt, wie es Euch gefallen hat und freuen uns auf Eure Kommentare! Viele Grüße Jenny

2 Kommentare

  1. Ihr hattet ja schon viel von der Wanderung erzählt. Wenn ich das jetzt nochmal lese, ist das alles sehr beeindruckend. Aber ich bin nach wie vor froh, dass ich das meiste erst erfahren habe, als ihr heil wieder da ward.

    1. Danke für deinen Kommentar! Ja, beeindruckend war es auf jeden Fall – und ein bisschen Risiko muss man wohl eingehen, wenn man unberührte Natur sehen möchte. Aber die Menschen waren so hilfsbereit, dass wir uns insgesamt sehr gut aufgehoben gefühlt haben auf unserer Wanderung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert