Eine 192 km lange Wanderung durch Montenegro, Albanien und den Kosovo wartet auf uns! Abgeschieden von allem werden wir überwältigt von fantastischen Aussichten und der so unfassbar großzügigen Gastfreundschaft! – Der Peaks of the Balkans, Etappe 1 und 2…
Peaks of the Balkans Etappe 1 & 2 – Wo und warum?
Schon vor unserer Weltreise haben wir wunderbare Reisen unternommen und von einer davon erzählen wir Euch heute. Warum haben wir uns für eine Wanderung durch Montenegro, Albanien und den Kosovo entschieden? Wir wollten wandern, aber alleine sein, wir wollten die Natur erleben und abends die absolute Stille der Berge um uns spüren und wir wollten eine für uns neue Kultur kennenlernen. So haben wir den Peaks of the Balkans Wanderweg gefunden. Im Grenzgebiet des Dreiländerecks wurde der Weg angelegt, um die verlassene Bergregion wieder zu nutzen, den Einheimischen gleichzeitig eine neue Einnahmequelle zu ermöglichen und um die drei Länder (nach ihrer jüngsten Geschichte) wieder näher zusammenzubringen.
Der Wanderweg Peaks of the Balkans verläuft in zehn Etappen auf insgesamt 192 Kilometern durch abwechslungsreiche Landschaften. Auf den schmalen Wegen der Schäfer, die ihre Tiere über den Sommer auf die Alm bringen, laufen wir durch ein schroffes Karstgebirge und durch tiefe Wälder. Über weite Strecken fühlen wir uns wie in der Wildnis. Nur in den Tälern gibt es kleine Dörfer mit wenigen Häusern und manchmal sogar einem kleinen Restaurant oder Tante-Emma-Laden. In den Bergen finden wir Ansiedlungen mit Schäferhütten, die nur zu Fuß oder per Pferd erreichbar sind. Gerade in dieser Abgeschiedenheit werden wir, dort wo Häuser bewohnt sind, trotz Sprachbarrieren herzlich empfangen und mit köstlichem Essen versorgt.
Peaks of the Balkans Etappen 3 – 7 und weitere Montenegro Beiträge
Im Folgenden erzählen wir Euch von unserer Ankunft am Ausgangspunkt der Wanderung und den ersten beiden Etappen von Plav über Vusanje nach Theth. Unsere Erlebnisse von den Etappen 3 bis 5 in Albanien haben uns von Theth über Valbona und Çerem nach Dobërdol geführt. Von den Etappen 6 und 7 erzählen wir Euch in unserem dritten Beitrag der Peaks of the Balkans-Reihe und dort erfahrt ihr auch, warum wir nach Dobërdol und Babino Polje schon am siebten Tag zurück in Plav waren.
Welche Vorbereitungen wir getroffen haben, was es für Formalitäten zu beachten gab, wie der Inhalt unseres Rucksacks aussah und vieles mehr haben wir Euch in einem extra Bericht zusammengestellt. Nach der Wanderung sind wir noch eine Woche durch Montenegro gereist, um das Land auch außerhalb der verlassenen Bergregion kennenzulernen. Dieses Erlebnis findet ihr hier.
Aber, los geht’s mit den Etappen 1 & 2:
- Ankunft in Montenegro – erste Eindrücke und Formalitäten
- 1. Etappe Plav – Vusanje: ca. 21,9 km – 1.150 m ↗ – 1.100 m ↘
- 2. Etappe Vusanje- Theth: ca. 21,4 km – 1.400m ↗ – 1.100 m ↘
Ankunft in Montenegro – erste Eindrücke und Formalitäten
Wir landen in der Hauptstadt des Landes, Podgorica. Diese möchten wir uns später auf jeden Fall noch genauer ansehen, doch zunächst wartet eine große Wanderung auf uns, die wir in Plav, im Osten von Montenegro beginnen. Deshalb suchen wir uns einen der regelmäßig verkehrenden Busse, der uns in knapp vier Stunden die etwa 180 km in die Berge bringt. Montenegro bedeutet „schwarzer Berg“ und schon nach kurzer Fahrtzeit können wir bestätigen, dass dieser Name sehr passend ist! Die Landschaft ist wahnsinnig beeindruckend. Wir fahren zwischen hohen, teils kargen, Bergen durch tiefe Schluchten und kommen uns in unserem Bus geradezu winzig vor. Die Kulisse macht uns sprachlos.
In Plav angekommen, suchen wir uns eine Unterkunft für eine Nacht, bevor wir morgen unsere Wanderung beginnen. Wir sind extra einen Tag vorher angereist, da uns die lokale Polizei noch unsere Genehmigung für die kommenden Grenzübertritte bestätigen muss. Wie die ganze Genehmigungsprozedur im Detail abläuft, haben wir Euch in einem separaten Beitrag zusammengestellt. Ihr könnt es aber auf jeden Fall alleine, ohne Reiseveranstalter, machen, wenn ihr früh genug dran seid. Die Polizei ist freundlich und hilfsbereit und so laufen wir wenig später mit der ausgestellten Bestätigung für die Wanderung durch die Straßen des Dorfes. Das Dorf ist belebt, aber ruhig und es ist angenehm warm. Wir genießen den entspannten Spaziergang, bevor wir morgen mit unseren großen Rucksäcken unterwegs sind. Die Männer des Dorfes tragen kurze Hosen und T-Shirts. Ihre Frauen laufen in einigem Abstand, in kleinen Gruppen in Niqab und Burka bekleidet, hinterher.
Balkankost und Balkangeschichten?
Wenig später sitzen wir in einem kleinen Imbiss und lassen uns die mächtige Balkankost schmecken. Das Essen ist gut, die Unterhaltung hinterlässt Spuren… Die drei anderen Gäste erzählen uns, wie gefährlich es sei, durch die Grenzregion zu laufen. Insbesondere die albanischen Soldaten seien unberechenbar und gewalttätig (wahrscheinlich werden die albanischen Imbiss-Gäste das Gleiche über die montenegrinischen Soldaten berichten, denken wir uns…). Doch das Bild, was wir jetzt schon im Kopf haben, wird noch detaillierter gezeichnet: Letztes Jahr sei eine Frau von den Grenzbeamten missbraucht worden. Im Anschluss wurden ihr und ihrem Partner alle Sachen abgenommen und sie wurden eine Böschung runtergeschmissen. Mein Magen zieht sich zu, ich möchte nichts mehr essen! Wir wissen, dass tatsächlich ein deutsches Paar ums Leben gekommen ist. Doch wir hoffen, dass diese Geschichte der Dorfbewohner nur eine Geschichte ist…
Am nächsten Morgen möchten wir einige unserer Sachen, die wir auf der Wanderung nicht benötigen, im Hotel lassen. Leider gibt uns der Mitarbeiter vor Ort zu verstehen, dass dies nicht möglich ist. Also suchen wir einen anderen Ort für die Gepäckaufbewahrung, der uns vertrauenswürdig erscheint. Ein junger Mann in einer Bar nimmt unsere zwei Beutel entgegen und versichert uns, dass er drauf aufpasst – kein Problem. Wir werden sehen.
1. Etappe Plav – Vusanje
ca. 21,9 km – 1.150 m ↗ – 1.100 m ↘ (Die Etappe kann mit einer zusätzlichen Gipfelbesteigung auf etwa 27,4 km ausgedehnt werden.)
Nach einem kurzen Frühstück starten wir hochmotiviert und voller Vorfreude bei grauem Wetter und Nebel. Immerhin ist es trocken und angenehm warm. Bevor wir den offiziellen Weg erreichen, lesen wir auf einem Hinweisschild, dass jeder auf eigenes Risiko läuft. Es wird explizit empfohlen, in einer Gruppe oder mit einem Guide zu laufen. Die Schwierigkeit des Weges ist zwar einfach bis mittel, aber teilweise geht es weite Strecken durch unbewohntes Bergland. Wir laufen am Friedhof, oberhalb des Ortes vorbei, der interessanterweise von Christen, Juden und Muslimen zugleich genutzt wird. Diese Toleranz gefällt uns.
Die Etappe 1 des Peaks of the Balkans führt uns die ersten Meter am namensgebenden See Plavsko Jezero, dem blauen See, entlang. Unsere Sicht ist allerdings bescheiden und wir hoffen auf mehr Sonne in den nächsten Stunden und Tagen…
Mit tierischer Begleitung durch den Nadelwald
Der Schotterweg geht leicht bergauf und wir kommen gut vorwärts, trotz unserer großen Rucksäcke. Wir laufen an den letzten Häusern von Plav vorbei, die schon weit außerhalb des Zentrums stehen, als plötzlich ein kleiner Hund zu uns läuft. Er beschnuppert uns kurz, prüft, ob wir etwas zu fressen für ihn haben und beschließt dann, einfach weiter neben uns herzulaufen. Wir freuen uns über die Begleitung und sind gespannt, wie lange er bei uns bleibt.
Die Landschaft ändert sich und wir tauchen in einen Nadelwald ein. Der Waldweg führt steil bergauf, unser Begleiter läuft treu hinter uns her. Er ist so niedlich, dass wir beschließen, ihm einen Namen zu geben. Da er zwischendurch ganz vernarrt an einer Getränkeverpackung geschnuppert und geleckt hat, auf der groß „Majo“ stand, steht der Name schnell fest. Wir laufen zusammen mit Majo durch den märchenhaften aussehenden Nadelwald, in dem sich die Sonnenstrahlen immer wieder ihren Weg durch die Zweige suchen und den Boden in einem mystischen Licht erstrahlen lassen. Als wir unsere erste Trinkpause einlegen, ist Majo schon ganz erschöpft. Nach etwa vier Stunden und nicht ganz der Hälfte der Strecke, verschwindet er im Wald, weil er einen anderen Hund gehört hat. Schade, um unseren Begleiter!
Fehlende Wegmarkierung und verlassene Hirtensiedlung
Schon auf unserer ersten Etappe ist es passiert: Wir finden keine Wegmarkierung mehr… Wir stehen vor einer Lichtung im Wald und in jede Richtung führen Trampelpfade. Mist! Zum Glück finden wir die Lichtung auf unserer Karte und können so mit dem Kompass die Richtung bestimmen. Das fängt ja gut an… Als wir auf dem letzten steilen Stück aus dem Wald herauslaufen, sind wir so hoch, dass die Landschaft deutlich schroffer wird. Die Vegetation beschränkt sich auf kleinere Büsche und endlose Wiesen. Diese leuchten jedoch bunt und locken somit jede Menge Schmetterlinge und andere Insekten an.
Unsere erste Pause möchten wir in einer kleinen Hirtensiedlung machen. Dort angekommen müssen wir jedoch feststellen, dass die Hütten größtenteils abgebrannt sind. Wir treffen niemanden an. Die Aussicht ist dafür umwerfend! Also packen wir unsere Vorräte aus und freuen uns, dass wir etwa 1.000 Höhenmeter bereits hinter uns gebracht haben. Beim Essen genießen wir den Rundumblick auf die gegenüberliegenden Berge und das langgezogene Tal unter uns.
Die zweite Hälfte der Etappe ist ebenso abwechslungsreich. Zunächst wechseln sich weite Wiesen mit kleineren Waldstücken oder vereinzelten Nadelbäumen ab. Nach und nach wandern wir vor allem durch felsiges Gelände. Die riesigen Karstformationen mit den tiefen Felsspalten und vielen Höhlen sind sehr beeindruckend. Das Wetter ist perfekt zum Wandern. Die Wolken hängen ein wenig in den Bergen, was uns tolle Fotos beschert *grins. Aber immer wieder kommt auch die Sonne durch. Nun stehen noch über 1.000 Meter Abstieg an, bis in den kleinen Ort Vusanje.
Erster Kontakt mit den Bergbewohnern Montenegros
Das letzte Stück unserer heutigen Etappe ist sehr felsig. Die Markierungen zeigen uns die Richtung, denn ein Weg ist hier nicht zu erkennen. Wir klettern eine ganze Weile über riesige Steine, was uns richtig Spaß bringt. Dann liegt nur noch ein kurzes Waldstück vor uns, bevor wir schon das kleine Dorf Vusanje in der Ferne erkennen. Hier, in diesem kleinen Wald, treffen wir die ersten Menschen auf dieser Etappe und kommen zum ersten Mal mit den Bergbewohnern Montenegros in Kontakt, und zwar so:
Wir laufen zufrieden und leicht KO eine leicht abschüssige Wiese hinuntern. Plötzlich hören wir ein durchdringendes Wiehern hinter uns, gefolgt von lauten Rufen. Wir bleiben stehen, gucken uns um, sehen aber noch nichts. Beide Geräusche kommen immer näher, das Schreien wird lauter und scheint sich an uns zu richten. Dann treten drei Männer auf ihren Pferden aus dem Wald und kommen zügig auf uns zu. Natürlich verstehen wir kein Wort, von dem was sie sagen, haben wir doch nur „Guten Tag“, „Danke“ und „Tschüß“ auf montenegrinisch gelernt. Also sagen wir Guten Tag, dobar dan und warten was passiert. Einer der drei Männer redet besonders eindringlich auf uns ein, kommt näher und deutet immer wieder auf unsere Rucksäcke. Wir gucken uns an und denken das Gleiche…
Ist unsere Wanderung hier zu Ende, weil wir unser ganzes Gepäck an diese drei Herren verlieren??? Der Mann auf seinem Pferd lässt nicht locker. Das Tier steht nun schon so dicht an mir, dass es anfängt, mich anzustupsen. Währenddessen zieht der Mann an meinem Rucksack und möchte ihn mir vom Rücken nehmen. Ich denke kurz darüber nach, was sich alles darin befindet (Ausweis, Geld, Fotokamera…) und gerate in Panik! Nein, nein, nein. Das ist meiner und ich werde ihn nicht so einfach hergeben! Auf keinen Fall! Ich schiebe den Arm des Mannes energisch weg und laufe verärgert ein paar Schritte zur Seite. Nachdem sie das Gleiche bei Thomas versucht haben, reden sie weiter auf uns ein. Wir verstehen kein Wort und möchten einfach nur weg. Irgendwann lassen sie von uns ab und reiten mit ihren Pferden vor uns her. Wir sind irritiert: Was war das denn???
Kurze Zeit später weichen wir ein paar herumlaufenden Kühen aus, die wirklich riesig sind, und stehen dann vor dem Ortseingang von Vusanje. Von oben blicken wir auf das Dorf, welches aus etwa 50 einzelnen, weit verteilten Häusern besteht. Und da ist wieder einer der Männer auf dem Pferd… Es ist der Cousin eines Guesthouse-Besitzers, wie sich später bei einem üppigen Abendessen herausstellt. Unsere Unterkunft besitzt neben den Gästezimmern nämlich auch eine Pferdefarm. Die Männer auf den Pferden haben sich gedacht, dass wir nach Vusanje laufen und wollten unsere großen Rucksäcke für uns ins Dorf bringen!
Wir gucken uns betreten an. So eine tolle Hilfsbereitschaft hat unsere eingefahrene Denkweise gar nicht in Betracht gezogen. Wir schämen uns ein bisschen und sind gleichzeitig total gerührt. Es bleibt uns nur eine Entschuldigung und eine fröhliche Verabschiedung. Sie nehmen es uns nicht krumm. Wir gehen satt, glücklich und voller neuer Eindrücke ins Bett. Schön, dass wir hier sind!
2. Etappe Vusanje- Theth
ca. 21,4 km – 1.400m ↗ – 1.100 m ↘
Unser Morgen im Guesthouse von Vusanje
Unsere Nacht im Guesthouse in Vusanje war sehr erholsam (mittlerweile gibt es etwa 15 Unterkünfte und damit mehr Gästebetten als Einwohner). Das Dorf ist ruhig, außer ein paar Hunden haben wir nichts gehört. Das Doppelzimmer mit Gemeinschaftsbad ist mehr als ausreichend für uns und das reichhaltige Frühstück übertrifft alles. Wir sitzen an einem kleinen Tisch, direkt neben dem Ofen in der großen Küche des Hauses. Avni, unser Gastgeber, unterhält sich ein wenig mit uns, soweit dies mit Händen, Füßen und ein paar Brocken Englisch möglich ist und zeigt uns viele Fotos. Eines zeigt seinen Cousin mit einem nicht ganz offiziell wirkenden Wappen, der hier in der Region so etwas wie der Dorfsheriff ist. Vielleicht würden wir ihn ja treffen… Außerdem gibt er uns einen Zettel mit, auf den er „Kujtim Gocaj“ schreibt. Wir können nicht aufklären, was das heißen soll und stecken den Zettel erst einmal ein…
Währenddessen bereitet Avnis Frau das Frühstück zu. Sie backt frisches Brot, rührt Eier in der Pfanne, kocht Kaffee und serviert dazu noch eine riesige Wurst und allerlei Käse und Joghurt. Alles, was wir nicht essen können, wird uns noch, zusätzlich zu den bereits vorbereiteten Tüten, als Wegproviant eingepackt. Lustig geht die Anekdote mit der Wurst aus: Wir versuchen zu erklären, dass wir von der etwa 30cm langen Wurst nur ein kleines Stück haben möchten und zeigen mit der flachen Hand und der Handinnenkante eine Schneidebewegung. Daraufhin verschwindet Avnis Frau mit der Wurst und kommt kurze Zeit später mit einer großen Plastiktüte und vielen kleinen Wurststückchen wieder – sie hat einfach alles kleingeschnitten…
Start in die zweite Etappe am Blue Eye von Vusanje
Nach einer herzlichen Verabschiedung laufen wir zunächst ein paar Meter auf den schmalen Schotterstraßen durch das Dorf. Auch die Kühe machen hier ihren Morgenspaziergang *grins. Die Etappe beginnt an dem Grlja Gebirgsbach mit wunderbar klarem, türkisfarbenen Wasser und einem kleinen Wasserfall. Danach sind die Feldwege, auf denen wir laufen, größtenteils überschwemmt und wir hüpfen von einem Stein zum nächsten. Etwas abseits des Weges wird uns ein Abstecher zum Blue Eye Oko Skakavice (auch eye of a grasshopper genannt) empfohlen. Der kleine See wird von Grundwasser gespeist und ist, wenn die Sonne scheint, leuchtend blau. Die wahre Schönheit des Blue Eye entdecken wir zwar nicht, aber der Abstecher lohnt sich trotzdem. Zurück auf dem eigentlichen Weg, bilden die gewaltigen Berge um uns herum eine großartige Kulisse und wir freuen uns auf die Etappe, die vor uns liegt.
Im ausgetrockneten See erreichen wir die albanische Grenze
Unser Wanderweg steigt leicht aber stetig an. Wir sind umgeben von sehr hohen Bergen und auf den Wiesen neben uns liegen riesige Felsbrocken. Alle paar Meter eröffnet sich der Blick auf ein neues Postkartenmotiv. Zudem treffen wir immer wieder auf Schafherden, was bedeutet, dass wohl noch einige der Hütten hier oben bewohnt sind. Der Weg führt uns weiter zu einem See, der aber jetzt, im Spätsommer, noch ausgetrocknet ist. Daher entscheiden wir uns gegen den Waldpfad, der um den See herum führt und laufen quasi mitten durch den See.
Wir sind nicht die einzigen, denn mittendrin stehen Wanderschilder, die sogar erstmalig den Peaks of the Balkans Wanderweg explizit ausweisen. Außerdem erreichen wir hier, sieben Kilometer von Vusanje entfernt, die albanische Grenze. Der offizielle (ehemalige) Grenzposten ist auf dem Weg um den See herum, zu finden. Die Beschriftung RPSSH steht in der Landessprache für sozialistische Volksrepublik Albanien. Heute ist von der Grenze ansonsten nichts mehr zu merken – mit Ausnahme der Streckenmarkierung: In Montenegro ist dies ein roter Kreis mit weißer Füllung und in Albanien sind es drei Striche untereinander in den Farben weiß-rot-weiß.
Mittagspause vor einem Postkartenmotiv
Nachdem wir den See hinter uns gelassen haben, erreichen wir wieder einen Wald. Erst geht es allmählich bergauf, aber dann wird es richtig steil. Wir merken in den Beinen, dass wir gestern schon über 1.000 Höhenmeter hoch und wieder runter gelaufen sind. Daher sind wir sehr dankbar über das hinter dem Wald liegende Hochtal. Nicht nur, dass uns der Anblick einfach den Atem raubt, weil die Berge so majestätisch sind und die ganze Kulisse so surreal und umwerfend ist. Es gibt auch eine Quelle mit frischem Bergwasser und eine kleine Schäferhütte. Ohne zu zögern laufen wir zielstrebig dorthin und lassen uns auf die Wiese fallen. Unser Mittagessen (mit der kleingeschnittenen Wurst *grins) schmeckt bei diesem Anblick gleich doppelt gut. Seht selbst:
Verbotene Zone und Militärrelikte
Am Nachmittag werden wir immer wieder mit der Vergangenheit des Landes und dieser Region konfrontiert. Wir laufen durch die ehemals verbotene Zone, in der noch genügend Militärrelikte zu finden sind. Immer wieder sehen wir zugeschüttete Bunker und kleine Steinmännchen markieren die Lage ehemaliger Minen. (Haltet Euch hier bitte dringend an die Wegmarkierungen. Der Peaks of the Balkans gilt als minenfrei, nicht aber das umliegende Gebiet!) Wir laufen auf großem Kiesgeröll an einem steilen Abhang entlang und es geht nur mühsam voran. Links geht es steil berghoch, rechts quasi senkrecht mehrere hundert Meter in die Tiefe. Ich fühle mich unwohl, obwohl ich gar nicht weiß, warum.
Als wir endlich oben ankommen, ändert sich die Landschaft wieder und wir sehen sogar einen kleinen See. Alles wirkt hier viel friedlicher als an dem Kies-Abhang mit Bunkern und Steinmännchen. Wir laufen erleichtert und betont gemütlich an dem See entlang, um die Aussicht zu genießen. Bis… ich mich umdrehe, weil ich Geräusche höre. Als ich das eingefallene Gebäude auf der anderen Seeseite bemerke und mehrere Schatten hinter den Fensteröffnungen sehe, wird mir ganz anders. Das im Berg versteckte Haus war die ehemalige Militärstation, um die Grenze zu schützen. Noch mehr Anspannung können meine Nerven heute nicht vertragen… Die nächsten Meter berghoch laufen wir deutlich zügiger, das Gebäude immer im Rücken…!
Abstieg vom Pejës Pass und Ankunft in Theth
Es fehlt nicht mehr viel, bis wir die 1.400 Höhenmeter der heutigen Etappe geschafft haben. Der höchste Punkt ist der Pejës Pass (Qafa e Pejës) auf etwa 1.700 Metern. Hier oben ist es wunderschön! Es gibt eine schöne, ebene Wiese und fantastische Aussichten in beide Richtungen. Vor uns blicken wir auf das Tal von Theth und bekommen eine Ahnung, wo unser heutiges Ziel liegt… über 1.000 Meter unter uns… Wer die Etappe aufteilen möchte, findet auf dem Pejës Pass einen schönen und windgeschützten Zeltplatz.
Wir entscheiden uns jedoch für den Abstieg. Teilweise sind die Abschnitte ganz schön steil. Aber so sind wir wenigstens schneller da *grins. Als wir in Theth ankommen, wird uns der Weg zu dem kleinen Guesthouse Flodisa gezeigt. Das Haus ist winzig klein, bietet jedoch neben zwei Zimmern sogar noch ein Restaurant mit etwa 20 Plätzen. Von dort aus können wir unseren Kaffee, umgeben von mehreren und über zweitausend Meter hohen Bergen, genießen.
Als wir jetzt, für die Erstellung des Beitrags, die kleine Unterkunft noch einmal auf der Karte gesucht haben, konnten wir sie kaum wiederfinden. Schon damals gab es rund um Theth den meisten Tourismus. Doch mittlerweile muss sich der kleine Ort so wahnsinnig verändert haben. Es gibt so viele verschiedene Unterkünfte, von einfachen Campingplätzen bis zu Sternehotels. Auch das Guesthouse Flodisa hat angebaut und viele Sachen erneuert. Viele Wiesen, die damals zwischen den Häusern lagen, sind bebaut worden. So extrem haben wir die Veränderung eines Ortes in so kurzer Zeit noch nie erlebt.
Schon nach den Etappen 1 & 2 des Peaks of the Balkans haben wir viele Eindrücke gesammelt. Wie es weiter geht, erzählen wir Euch in unseren nächsten Beiträgen – auf eigene Faust durch die totale Isolation Etappe 3 – 5 und Etappe 6 & 7. Wie gefällt Euch das riesige Karstgebirge bisher? Wir freuen uns auf Eure Kommentare und Berichte, besonders wenn ihr selbst schon dort unterwegs wart. Viele Grüße Jenny
Hallo Ihr Beiden,
was für ein toller Fernwanderweg und sehr detaillierte Berichte von euch, Klasse 👍
Ich hätte noch zwei Fragen:
-Eure angegebenen Übernachtungspreise zwischen 20 und 25€ gelten pro Person oder für zwei?
-In welchem Monat und Jahr habt ihr diese Wanderung gemacht?
Lieben Dank und viele Grüße aus München
Alexandra
Herzlich willkommen Alexandra!
Möchtest du den Weg auch laufen?
Ja, die 20-25€ haben wir zu zweit bezahlt mit all inclusive Verpflegung und lunch Paket für die Wanderung. Wir waren allerdings schon in 2016 unterwegs und zwar im September. Später im Jahr würden wir auch nicht laufen.
Die Preise sind natürlich heute höher, gerade in Albanien, wo der Tourismus ja stark angestiegen ist. Einige unserer Unterkünfte kosten mittlerweile eher um die 50€. Wir haben aber auch noch viele Doppelzimmer mit Verpflegung für 30-35€ gesehen. Wenn ihr low budget unterwegs seid, wie wir, würden wir diese Preisspanne einplanen.
Alles Gute, liebe Grüße und lass gerne etwas von dir hören!
Thomas und Jenny
Eure Beschreibung gefällt mir bis jetzt sehr gut. Ich hätte auch ein paar Fragen.
Wie habt ihr das mit dem Geld gemacht? Welche Währungen habt ihr gebraucht und wieviel habt ihr unterwegs verbraucht? Karte wird wohl nicht gehen.
Habt ihr die Unterkünfte vorher gebucht, oder gibt es genug? Ist wildes campen erlaubt und sicher?
Wie sah es mit Strom aus. Gab es welchen, braucht man einen Adapter?
Ist die Strecke für eine Frau oder für 2 Frauen sicher?
Hallo Belana,
herzlich willkommen und danke für dein Feedback!
Guck doch gerne bei unseren Tipps für die Wanderung vorbei. Da findest du auch noch Informationen. Aber schonmal vorweg:
1. Du wirst überall mit Euro zahlen können, Montenegro und der Kosovo haben ihn ohnehin als offizielle Währung eingeführt. Albanische Lek sind wahrscheinlich günstiger, aber wir haben so wenig gebraucht, dass wir alles in Euro gezahlt haben. Das Wechseln hätte sich nicht gelohnt.
2. Für die Unterkünfte haben wir etwa 20-25€ pro Nacht inklusive Verpflegung gezahlt. Ansonsten haben wir fast nichts ausgegeben, weil wir Essen dabei hatten und Wasser unterwegs aufgefüllt haben.
3. Als wir unterwegs waren, konnten wir nirgendwo mit Karte zahlen. Es kann aber sein, dass es in Theth und Valbona mittlerweile möglich ist, weil dort die Infrastruktur sehr stark ausgebaut wurde.
4. Wir haben keine Unterkünfte gebucht, allerdings waren wir auch mit dem Zelt unterwegs und hätten so im Notfall immer einen Schlafplatz gehabt. Unserer Einschätzung nach müsste man am ehesten in Theth und Valbona vorbuchen. In den Bergen wird sich immer jemand finden, der Euch aufnimmt.
5. In Montenegro ist das Zelten außerhalb der Campingplätze offiziell verboten. Daher geben wir diesen Hinweis so weiter. Ob es oben in den Bergen jemand kontrolliert, ist fraglich… Wir haben uns im Zelt immer sicher gefühlt. Aber: Letztlich übernachtet man in der Natur mit Wölfen und Bären. Dessen muss man sich einfach bewusst sein und entsprechend verhalten (z.B. Essen geruchsdicht verschließen usw.).
6. Strom gab es in einigen Unterkünften, aber nicht überall. Da man ohnehin keinen Handyempfang hat und wir offline navigiert haben, brauchten wir aber auch keinen. Die Stecker müssten in allen drei Länder die gleichen sein, wie bei uns.
7. Alleine würden wir diese Wanderung auf keinen Fall empfehlen, egal, ob als Mann oder als Frau. Es gibt einfach wenig Zivilisation, manchmal haben wir während der gesamten Etappe niemanden getroffen, und auch selten Handyempfang. Ich, Jenny, würde die Wanderung auch mit einer Freundin machen, wenn wir uns beide körperlich fit genug dafür fühlen.
Wir hoffen, das hat dir erst einmal weitergeholfen. Falls du noch Fragen hast, melde dich gerne und wenn du die Wanderung machst, freuen wir uns über einen Bericht! Alles Gute, Thomas und Jenny
Hallo ihr beiden
Vielen Dank für den sehr aufschlussreichen Beschrieb eurer Route. Wir haben einen ähnlichen Plan und hätten noch eine Frage dazu: wie genau hat es bei euch funktioniert mit der Genehmigung für den Grenzübertritt? Habt ihr diese einfach auf dem Polizeiposten in Plav beantragt?
Vielen Dank für eure Antwort!
Mirjam und Yannic
Hallo Mirjam und Yannic, da habt ihr Euch eine tolle Strecke rausgesucht. Wir waren total begeistert!
Grundsätzliche Infos zur Genehmigung findet ihr in unserem Beitrag Unsere Tipps. Die Genehmigungsprozedur ist abhängig davon, wo ihr loslauft. Wir sind in Montenegro (Plav) gestartet und haben unseren Antrag über Zbulo bei der Polizei einreichen lassen. Hier ist ein Link, wo ihr auch aktuelle Infos findet: https://www.zbulo.org/services/border-crossing-permits-peaks-of-the-balkans-via-dinarica/
Vor Ort brauchten wir die Genehmigung nur noch von der Polizei bestätigen lassen. Das ging schnell und unkompliziert. Hilft Euch das? Sonst meldet Euch wieder.
Wir wünschen Euch viel Spaß und tolle Erlebnisse! Berichtet doch nachher mal, wie es war!