Unser letztes Ziel in Russland zeigt uns neue Perspektiven des Landes. Wladiwostok bringt uns erste sommerliche Gefühle und Sonne, Strand und Meer – wenn auch vereist…
Nach unserer letzten Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn und der Ankunft in Wladiwostok verlassen wir den Bahnhof und treten in der Morgendämmerung ins Freie. Wir sind kaum ein paar Meter in Richtung unseres Hostels gegangen, da bleiben wir gleich wieder stehen. Der Blick auf die Goldene-Horn-Brücke, die bei Sonnenaufgang die gleichnamige Hafenbucht von Wladiwostok überspannt, ist einfach zu schön.
Anschließend gehen wir weiter zum Hostel und erblicken auf dem knappen Kilometer bereits einige pompöse Gebäude, die uns gut gefallen. Nur diese Straßenüberquerungen…! Aaah! Wie in Moskau, gibt es auch hier meist keine Ampeln, sondern man sucht sich in der mehr oder weniger nahen Umgebung eine Unterführung. Also mit dem Gepäck hinlaufen, die Treppen runter, durchqueren, unten im Tunnel den richtigen Aufgang finden, Treppen hoch und zurück zu dem Punkt, wo wir eigentlich die Straße überqueren wollten. Das ist ein wenig mühselig… Tja, die Autos haben halt Vorfahrt. Warum auch unnötig für die Fußgänger anhalten? *grins. Im Hostel erklimmen wir die vorerst letzte und sehr steile Treppe und können sofort unser Zimmer beziehen.
Und nach fast vier Wochen in Russland erleben wir auf einmal ein ganz neues Gefühl. Die Sonne scheint! Ok, das haben wir sehr oft gehabt, aber diesmal scheint sie direkt in unser Zimmer, es läuft Musik auf dem Platz vor unserem Fenster und es ist auch mit offenem Fenster richtig warm – ein bisschen wie Sommer. Wir fühlen uns direkt viel besser und sind mega gut gelaunt. Aus unserem Zimmerfenster blicken wir auf ein kleines Einkaufszentrum und einen belebten Busbahnhof. Wir setzen uns ins Fenster und beobachten das Treiben.
Es ist noch sehr früh und die Nacht in der Transsib war sehr kurz. So legen wir uns noch einmal kurz hin, bevor wir hungrig werden und uns auf den Weg nach draußen machen. Unser erstes Ziel ist das Einkaufszentrum gegenüber, weil es dort in der obersten Etage einen guten Food Court geben soll. Also tanken wir auf dem Weg ein bisschen Sonne und freuen uns über die Gute-Laune-Musik, die den großen Platz vor dem Einkaufszentrum beschallt. Interessant ist, dass der Platz wohl ein Busbahnhof ist, es aber kaum Bussteige gibt. Anscheinend muss man wissen, wo welcher Bus hält und sich an die entsprechende Stelle mitten auf die Straße stellen.
In der obersten Etage des Einkaufszentrums Cover House bestellen wir uns japanisches Essen. Wir sind schon von dem Geruch total überwältigt. Schade, dass wir den nicht mit Euch teilen können… An der Fensterfront mit wundervollem Blick auf die schon langsam untergehende Sonne und den Pazifik ist das eine schöne und vor allem sehr leckere Einstimmung auf Japan.
Ja genau: Japan! Unsere ursprüngliche Idee, von Wladiwostok mit der Fähre nach Südkorea weiterzureisen, ist leider nicht möglich. Ungefähr zu der Zeit, als wir in St. Petersburg waren, haben wir erfahren, dass die Fährverbindung zwischen Wladiwostok und Donghae (Korea) mit Weiterfahrt nach Sakaiminato (Japan) auf unbestimmte Zeit ausgesetzt ist. Somit kommen wir um das Fliegen leider nicht herum und haben uns für die relativ kurze Distanz nach Tokyo entschieden. Von da aus könnten wir dann ganz in den Süden Japans, mit der Fähre nach Taiwan und dann mal schauen… Wir lassen uns also die japanische Seetang-Suppe und die eingelegten Beilagen schmecken. Nach dem Essen ist die Sonne noch nicht ganz untergegangen und wir entscheiden uns für einen Wettlauf mit der Sonne: Mal sehen, ob wir es noch zum Meer schaffen, um den Sonnenuntergang über der Amurbucht sehen zu können.
Juhuuu, wir waren schnell genug! Am Wasser angekommen, sehen wir aber nicht nur die Sonne untergehen, wir sehen auch jede Menge Eis. Zuerst realisieren wir es gar nicht: Krass, das Meer ist zugefroren! (Das war im Halbdunkel vom Einkaufszentrum aus nicht zu sehen.) Das haben wir bislang auch noch nicht gesehen und der Anblick ist wirklich faszinierend. Wir genießen den Sonnenuntergang, der mit den tollen Farben am Himmel einfach wunderbar ist.
Als die Sonne auf der anderen Seite der Amurbucht verschwunden ist, möchten wir noch ein Stück an der Uferpromenade entlanggehen. Plötzlich hören wir einen Hare-Krishna-Singsang und sehen eine Gruppe, die tanzend mit verschiedenen Instrumenten und einem Lautsprecher herumläuft und dazu singt. Ein interessanter Anblick und irgendwie verbreitet die kleine Gruppe gute Stimmung und eine lebhafte Atmosphäre.
Wir laufen weiter und kurze Zeit später kommen wir am Sporthafen Gavan an den ersten Sandstrand unserer Reise (am Baikalsee war das Ufer ja mit Schnee und Eis bedeckt). An Stelle von türkisfarbenem Wasser geht der Strand in Eis über. Das Licht ist immer noch super schön und wir trauen uns auch auf’s Meer. Zuerst knackt es kurz unter meinen Füßen (Thomas) und wir erschrecken uns so doll. Dann stehen wir aber auf dem Eis. Das Gefühl ist noch komischer als auf dem Baikalsee, wo da Eis immerhin glatt war. Hier haben wir das Gefühl, dass die Wellen einfach eingefroren sind. So sieht die hügelige Oberfläche jedenfalls aus.
Bei jedem Schritt zerbrechen unzählige der winzigen Eiskristalle und machen sich knirschend bemerkbar. Erst nach einigen Schritten vertrauen wir dem Ganzen, dass es auch wirklich hält. Wie so oft ist der Himmel kurz nach dem Sonnenuntergang noch bunter und leuchtender als während des Sonnenuntergangs. Wir erleben schöne Momente auf dem Eis und es geht uns richtig gut. Zudem haben wir auch einen tollen Blick auf das abendliche Wladiwostok vom Wasser aus. Dies scheint nicht nur uns zu gefallen, denn viele Leute verbringen ihren Feierabend auf dem Meer.
Zurück am Ufer finden wir das obligatorische I Love… -Schild, diesmal also Wladiwostok. Als wir durch den Uferpark laufen, wird es richtig kalt und wir gehen ein paar Meter vom Meer weg in Richtung Innenstadt. In der Fußgängerzone werden wir von einem blauen Lichtermeer überrascht. Wir waren ja schon fasziniert von der Beleuchtung in Moskau, aber diese blau illuminierte Straße muss sich definitiv nicht vor der Hauptstadt Russlands verstecken. Zudem gefällt uns die Atmosphäre hier besser als in Moskau, es ist irgendwie einladender und die Geschäfte, Bars und Restaurants wirken sehr sympathisch. Der Spaziergang durch die Fußgängerzone ist ein schöner Abschluss unseres ersten Abends in Wladiwostok.
Am nächsten Tag sind Wäsche waschen und Reiseplanung angesagt. Im Hostel stehen Waschmaschinen zur freien Verfügung, welche wir nach der Zeit in der Transsib und den verschiedenen Stationen in Russland gerne nutzen! Ansonsten verbringen wir unsere Zeit im Aufenthaltungsraum, der ganz gemütlich ist. Das einzige was uns etwas stört, ist, dass einige Leute hier im Hostel wohnen und sich nicht besonders rücksichtsvoll verhalten. So wird z.B. der Fernseher 24 Stunden ohne Unterbrechung in hoher Lautstärke laufengelassen und beim Kochen sämtliches Geschirr benutzt ohne es nachher zu spülen, usw. Das war uns bereits in Moskau und Tschita aufgefallen. Für diejenigen, die nur kurzfristig in der Stadt arbeiten oder dort studieren, ist es meist günstiger ein Bett im Hostel, als eine eigene Wohnung zu zahlen. Schön und gut, aber ein bisschen mehr Miteinander wäre wirklich toll!
Ich lese viel im Reiseführer für Japan, um angesichts der relativ hohen Preise wenigstens ein paar Ideen für unsere Zeit dort zu haben. Jenny schreibt Berichte für weitglücklich und sortiert unsere Reisefotos. Nach dem Kochen und Essen fängt es an zu schneien. Ein sehr schöner Anblick, der leider von der aktuellen Virus-Thematik getrübt wird.
In Japan sind anscheinend die Regionen Hokkaido und Tokyo schon betroffen, zwei Ziele, die wir defintiv gern sehen würden. Und nun?? Die Fähre nach Südkorea wurde eingestellt und einer der wenigen Flüge, die von dem kleinen Flughafen in Wladiwostok starten, bringt uns dahin, wo gerade alles geschlossen wird!? So ein Mist!! Sollen wir nun nach Südkorea auch Japan vorerst sein lassen? Und welche Optionen haben wir überhaupt? Wir informieren uns, was sich in den letzten Tagen getan hat, als wir entspannt in der Transsib saßen. Verrückt…!
Wir können es kaum realisieren, welche Auswirkungen so ein winzig kleiner Virus auf einmal haben soll… Und es ist überhaupt nicht abzusehen, wie sich die aktuelle Situation entwickeln wird. Wir sind durcheinander und verunsichert. Das Visum für Russland läuft jedenfalls in wenigen Tagen aus. Nach einiger Zeit der Recherche bis spät in die Nacht sind wir traurig und frustriert und beschließen, zu schlafen und morgen noch einmal in Ruhe zu überlegen. Es schneit immer noch und alles ist weiß draußen. Immerhin ein schöner Anblick zum Abschluss des Tages!
Nach dem späten Frühstück möchten wir durch die Stadt laufen und später zur Dämmerung zu einem Aussichtspunkt, um auf das Goldene Horn von Wladiwostok mitsamt der imposanten Brücke zu sehen. Der viele Schnee von gestern taut übrigens fleißig und es tropft von den Dächern. Auf den Bürgersteigen ist es wahlweise matschig oder spiegelglatt. Einem älteren Mann helfe ich auf, der ausgerutscht war und vornüber gekippt ist. Zum Glück ist aber nichts weiter passiert.
Auf der Hauptstraße von Wladiwostok sehen wir zahlreiche schöne und imposante Gebäude, angefangen von der Philharmonie über die sich in den letzten Zügen der Erbauung befindliche, aber schon imposante Verklärungskathedrale bis zum Einkaufszentrum GUM (ursprünglich übrigens das erste deutsche Kaufhaus weltweit, gegründet von den beiden Hamburgern Kunst und Albers). Und dann stehen hier doch tatsächlich Menschen auf der Straße und spielen Geige. Es unterstützt die schöne Atmospähre. Wir genießen es und haben großen Respekt, bei der Kälte draußen zu musizieren! Hinter dem Einkaufszentrum liegt ein kleines, Künstler-Areal mit allerlei Dingen zum Entdecken. Unter anderem steht dort der Engel Vladik, bei dem jeder einen Wunsch abgeben kann. Welche Wünsche wir dort deponiert haben, verraten wir natürlich nicht. Sonst gehen sie ja nicht in Erfüllung! Das Areal ist auf jeden Fall ein schöner Zwischenstopp auf dem Weg zum Aussichtspunkt.
Durch die Dominanz der Brücke über das Goldene Horn im Stadtbild von Wladiwostok ist die Orientierung einfach. Der Aussichtspunkt befindet sich oberhalb der Brücke. Dadurch ist die Richtung klar! Auf dem Weg dahin kommen wir noch an dem hübschen Admirals-Park mit einem kleinen Triumphbogen und einer Kapelle vorbei. Auch eine Gedenkstätte für die Kriegsopfer und ein russisches U-Boot, das besichtigt werden kann, sind unmittelbar dort zu finden. Auf dem weiteren Weg erblicken wir erfreut eine Stolovaya: Pause und Essen sind immer eine gute Idee. Fast direkt unter der Brücke mit freiem Blick auf ebenjene essen wir für kleines Geld ganz hervorragend.
Nach dem leckeren Essen sind wir bereit für den Aufstieg. Wir laufen unter der Brücke entlang, an den riesigen Pfeilern vorbei und haben bereits eine gute Sicht auf den Hafen. In der Pushkinskaya-Straße stehen riesige Jugendstilgebäude und wir finden sogar einen SUP-Verleih, der geöffnet hat. Es macht doch jetzt wohl niemand Stand Up Paddling, wo das halbe Meer eingefroren ist, oder???
Ein Stück des weiteren Aufstiegs verlagern wir in die etwas wärmere Drahtseilbahn (angeblich die einzige in ganz Russland, das können wir gar nicht glauben), die uns für 15 Rubel, also etwa 30 Cent, immerhin 70 Höhenmeter abnimmt auf ihrer Strecke von nicht einmal 200 Metern. Nach der Fahrt kommen wir bald in einen kreisrunden Park, der nur über zwei weitere Unterführungen wieder zu verlassen ist. Sieht aus wie ein tiefergelegter Kreisverkehr für Fußgänger… Bevor wir oben ankommen, klettern wir noch einige richtig stark vereiste Treppenstufen, teilweise ohne Geländer, hoch. Dann haben wir es geschafft.
Von der Aussichtsplattform, die auch Adlernest genannt wird, haben wir einen tollen Blick auf den Hafen von Wladiwostok. Sehr zentral ist natürlich die Brücke über das Goldene Horn, die übrigens den offiziellen Namen Solotoi-Brücke trägt und genauso wie die etwas außerhalb liegende Russki-Brücke, erst seit 2012 das Stadtbild prägt. Es ist relativ ruhig hier oben und wir genießen die Aussicht – bis… Geschrei, Gebrüll, Getose, Geschnatter…!
Was ist denn jetzt los? Eine kleine Reisegruppe von gerade einmal sechs Leuten betritt die Plattform. Sie haben sich anscheinend in den Kopf gesetzt, ein Erinnerungsfoto mit der Brücke aber ohne andere Reisende im Hintergrund zu machen. Dazu läuft der aufgebrachte Reiseleiter mit mehreren Kameras und Handys am Körper ganz aufgeregt umher und sucht den besten Platz, um sich zu positionieren. Als er diesen gefunden hat, muss sich seine Gruppe natürlich auch noch akkurat hinstellen und alle die nicht dazu gehören müssen weg. Er ruft laut, in einer Sprache, die wohl sonst kein Anwesender versteht, und fuchtelt dazu wild mit den Armen rum, um allen zu signalisieren, dass sie sich aus dem Bild zu entfernen haben.
All das geschieht auf der großen Plattform, eine Etage unter uns. Von oben gucken wir amüsiert zu und müssen nur grinsen. So geht das also. Und wir warten immer stundenlang, bis wir ein Motiv ohne weitere Menschen aufnehmen können… Es geht weiter: Einfach nur hinstellen ist nicht. Es gibt verschiedene Fotoposen und die sind anscheinend antrainiert. Immer wenn die nächste Position von der Gruppe eingenommen werden soll, ruft der Reiseleiter (nach unserer Wahrnehmung) „Taka-taka-taka-taka“ und alle hören auf’s Wort uns reißen gleichzeitig den rechten Arm hoch oder drehen sich um 90° nach rechts oder sonst irgendetwas. Wir können nicht mehr… die Tränen kullern vor Lachen!
Als wieder Ruhe einkehrt, die Reisegruppe ist nämlich nur wenige Minuten anwesend, gucken wir uns die Stadt von oben genauer an. Plötzlich erblicken wir ein bekanntes Gesicht. Wir überlegen kurz und erinnern uns dann, dass wir Clément schon in Irkutsk im Hostel getroffen hatten. Russland ist so riesig und dann sehen wir uns trotz vollkommen unterschiedlicher Route zufällig wieder. Nach einem kurzen Gespräch, verabschiedet er sich. Eigentlich möchten wir gerne noch den Sonnenuntergang von hier oben aus sehen. Schon in der Abenddämmerung ist alles in ein schönes Licht getaucht. Aber es ist einfach zu kalt. Und so sind wir nicht allzu traurig, als wir feststellen, dass wir die Sonne am Horizont wegen der vielen Wolken ohnehin nicht sehen werden. Wir machen uns auf den Rückweg.
Auf dem Weg ins Hostel haben wir das gleiche Problem, wie auch schon in Irkutsk und Tschita, weshalb wir teilweise zurück watscheln *grins. Zwar sind die Bürgersteige schon tagsüber an einigen Stellen spiegelglatt vom gefrorenen Schnee. Aber sobald die Sonne scheint, taut das Eis-Schnee-Matsch-Gemisch etwas auf und friert dann wieder ein, sobald die Sonne untergeht. Abends ist es also noch deutlich rutschiger und gefährlicher. Das Gleiche gilt für den Schnee auf dem Dach; tagsüber taut dieser und das Wasser fließt auf die Bürgersteige. Dieses friert dann abends wieder ein und es entsteht quasi eine Eislaufbahn…!
Kurz vor unserem Hostel, erblicken wir einen kleinen Markt, an dem noch einige Stände geöffnet haben. Spontan machen wir einen kleinen Abstecher. Amüsant sind die rohen Fische, die beim Gemüsehändler unauffällig zwischen den ganzen Kisten voller Obst und Gemüse mitverkauft werden.
Statt Fisch gibt es bei uns aber Onigiris, japanische Reisdreiecke mit unterschiedlichen Füllungen, wie Gemüse oder Pflaumen. Trotz Fertiggericht können wir so den Plastikwahn umgehen. Auch in Wladiwostok sind wir nämlich wieder von den regaleweise angebotenen Fertiggerichten in riesigen Plastikboxen schockiert. Wobei, selbst die Zitronen sind einzeln in Plastiktüten verpackt…
Nach dem Essen möchten wir nun endlich entscheiden, wie unsere weitere Reiseroute aussieht. Von Japan sind wir nicht mehr überzeugt, da dort immer mehr Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Reisefreiheit bekannt gegeben werden. Schade, auf die Kirschblüte hatten wir uns schon sehr gefreut. Die russische Regierung hat zudem mittlerweile ihren Bürgern untersagt, nach Südkorea zu fliegen, auch zum Transit und wir entscheiden daher, auch diese Option auszuschließen. Damit fallen allerdings viele Flüge weg, da von Wladiwostok fast alle internationalen Flüge einen Zwischenstopp in Südkorea haben.
Also bleibt eigentlich nur noch, über Japan irgendwo hin zu fliegen. Viele Optionen gibt es nicht, aber Bangkok ist noch möglich. Bangkok? Wir überlegen: Immerhin ist es warm, nicht allzu teuer und nach Thailand möchten wir sowieso irgendwann. Also warum nicht jetzt… Dann hätte ich mir das Lesen im Japan-Reiseführer natürlich auch sparen können, aber gut. Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben. Wir sind jedenfalls froh, dass wir unsere Weltreise nicht Land für Land im Vorhinein geplant haben – kommt eh anders als man denkt…
Uns bleiben noch zwei Tage in Wladiwostok. Da es nun nach Thailand geht, überlegen wir, ob und wie wir uns von unseren Wintersachen trennen. Die Wettervorhersage für Bangkok liegt bei etwa 37°C am Tag und 29°C in der Nacht. Was sollen wir da mit der langen Unterwäsche, den Thermoshirts, Mützen und dicken Socken??? Nicht zu vergessen unsere Null-Grad-Schlafsäcke… Auf unserer gedachten Route, erst nach Südkorea und dann nach Japan, wäre es noch sehr kalt gewesen. Vor allem der Norden Japans hätte uns sicher noch einmal viel Kälte und Schnee beschert. Da hätten wir die Sachen gebraucht. Aber mit der Winterausrüstung zu fliegen? Darauf sind wir gepäcktechnisch noch nicht vorbereitet – eher so auf Fähre *grins. OK, kümmern wir uns morgen drum!
Jetzt möchten wir noch zur südlichen Landspitze von Wladiwostok, wo ein mittlerweile fast 150 Jahre alter Leuchtturm mehr oder weniger im Meer steht (je nach Tide). Im Winter kann man aber immer hinlaufen, ohne sich nasse Füße zu holen. Wir laufen los, zuerst Richtung Bushaltestelle. Auf dem Weg dorthin stellen wir mal wieder fest, dass recht viele Leute schon mit Sneaker und freiem Knöchel zu sehen sind. Ein ganz ungewohnter Anblick auf unserer bisherigen Reise durch Russland. Vielleicht erste Frühlingsgefühle? Die Temperaturen sind jedoch maximal um den Gefrierpunkt – wir bleiben also bei unseren dicken Socken. Und eine Sachen möchten wir Euch auch noch zeigen: Die kleinen Büdchen (Kioske)! Die Verkäufer sind in den winzigen Räumen komplett eingeschlossen und öffnen wegen der Kälte nur zum Verkaufen ein sehr kleines Fenster. Manchmal sind diese Öffnungen so klein, dass wir uns fragen, was passiert, wenn man einen größeren Gegenstand kaufen möchte *grins.
Die Fahrt ist kurzweilig, da es auf dem Weg durch die komplette Stadt einiges zu entdecken gibt. Der Busfahrer nimmt uns netterweise noch ein Stückchen weiter mit, als bis zur Endstation, da er noch tanken muss. Wie praktisch! Auf dem Weg nach unten zur Landspitze können wir unser Ziel meistens sehen und wir entdecken Eisfischer auf dem Meer in der zugefrorenen Bucht. Der Anblick eines zugefrorenen Meeres ist uns heute schon etwas vertrauter. Faszinierend ist es aber trotzdem. Am Parkplatz und dem letzten Café vor dem Leuchtturm ist auch der Strand ausgeschildert, an dem man im Sommer baden kann. Die Verwendung im Winter hat aber auch seinen Reiz: Es gab hier wohl einen Schneemann, -frau, -kind-Wettbewerb. Einige der Schneefiguren können sich echt sehen lassen!
Als wir uns auf den Weg zum Leuchtturm machen, sind die meisten Leute bereits auf dem Rückweg. Sehr gut, so haben wir uns das vorgestellt. Über einen schmalen Damm geht es zum Leuchtturm. Zu Beginn ist das Meer noch auf beiden Seiten vereist. Je weiter wir uns vom Festland entfernen, desto dünner wird die Eisschicht. Kurz vor dem Leuchtturm ist das Meer nicht zugefroren, aber es treiben noch größere Eisschollen umher. Am Leuchtturm sind wir alleine und haben eine schöne Aussicht auf das Meer, die Stadt und die Russki-Brücke. Diese führt zu der Insel Russki, die immerhin von etwa 5.000 Menschen bewohnt wird.
Als die Sonne untergeht wird es empfindlich kalt. Gerade als wir uns entschließen zurückzugehen, hören wir jedoch Geräusche aus dem Meer. Wir gucken neugierig und entdecken zwei Robben im eiskalten Wasser. Sie sind zwar noch ein gutes Stück von uns entfernt und es gucken nur zwei Köpfe mit großen Augen neugierig aus dem Wasser, aber sie sind sehr gut zu hören. Wir beobachten sie noch einen Moment. Das ist ein schöner Abschluss für unseren Ausflug!
Der Rückweg ist entspannt. Wir laufen zurück zum Bus, haben Glück und müssen nicht lange auf diesen warten und sind so bald wieder im Hostel. Kochen, essen, mit Freunden skypen, Wintersachen aussortieren, dann gehen wir ins Bett.
Unser letzter Tag in Wladiwostok beginnt. Nach dem Frühstück gehen wir zur Post, um ein paar unserer Wintersachen nach Deutschland zu schicken. Bei der Post werden wir sehr hilfsbereit unterstützt. Wir haben uns vorher ein paar russische Wörter rausgesucht, insbesondere wegen der Zollfragen, und der Rest wird aufgemalt… Wir sind gespannt, ob das Paket wie angekündigt in zehn Tagen in Deutschland ist. (Hinterher sind es mehr als fünf Wochen, aber das Paket ist heile angekommen, und das zählt ja). Anschließend bummeln wir noch einmal über den kleinen Markt in der Nähe unseres Hostels und laufen noch ein wenig durch die Innenstadt.
In der Svetlanskaya Straße kommen wir an vielen unterschiedlichen Bars und Restaurants vorbei, von modern über rustikal bis hip, ist alles dabei. Zum Mittagessen entscheiden wir uns für die Ne Ryday Stolovaya. Die Lage auf der Hauptstraße Svetlanskaya ist exklusiv und das alte, prunkvolle Gebäude beeindruckt uns sehr. „Kantine“ scheint uns hier nicht mehr die richtige Übersetzung für Stolovaya zu sein. Das Essen ist, wie in jeder Stolovaya einfach und günstig, aber sehr lecker. Wir essen Reis mit Gemüse und einen Rote-Beete-Salat. Zum Nachtisch gibt es kleine Quark-Käse-Taler. Insgesamt gibt es für das Ne Ryday auf jeden Fall eine Empfehlung von uns!
Zum Abschluss unseres Besuchs in Wladiwosotk gehen wir durch einen großen Park zum Ufer und der breiten Promenade und können so noch einmal das Meer (bzw. die Eisfläche…) sehen.
Im Hostel kochen wir schnell und machen uns dann daran, unsere Sachen in die Rucksäcke zu packen. Die große Frage ist: Was bleibt denn eigentlich draußen und wird angezogen? Morgens starten wir bei Minusgraden und kommen dann bei über dreißig Grad in Bangkok an. Wie immer: Zwiebel-Look. Der Rest passt natürlich auch diesmal in die Rucksäcke – und morgen geht es los.
Nach dem Frühstück sind wir mit Clement verabredet. Er fliegt mit uns nach Japan und so möchten wir gemeinsam zum Flughafen fahren. Zunächst gehen wir zum Bahnhof, und fahren von dort mit dem Zug knapp 90 Minuten zum Flughafen. Längere Zeit können wir auf die Amurbucht blicken, die hier übrigens fast durchgehend vereist ist. Deshalb sehen wir auch hier wieder zahlreiche Eisfischer auf dem Meer.
An dem kleinen Flughafen von Wladiwostok ist die Atmosphäre sehr entspannt. Lediglich am Eingang wird einmal die Temperatur eines jeden Passagiers gemessen und es steht Desinfektionsmittel bereit. Clément verabschiedet sich kurz, weil er verzweifelt Postkarten zum Versenden sucht. Wir schmunzeln, offensichtlich sind wir nicht die einzigen, die dieses Problem haben… Erfolglos kommt er zurück. Dafür entscheiden wir uns, zusammen essen zu gehen, um noch das restliche Bargeld auszugeben. Die Stolovaya liegt versteckt im verwinkelten Untergeschoss. Niemals hätte ich dort ein Restaurant vermutet! Wie immer ist das Essen super. Da es Stolovaya– und keine Flughafenpreise sind, bleiben sogar noch ein paar russische Rubel übrig.
Mit Clément unterhalten wir uns seit heute Morgen viel und richtig gut. Kennt ihr das auch, dieses Phänomen beim Reisen: Binnen kürzester Zeit unterhält man sich mit Personen, die man erst ein paar Minuten oder Stunden kennt, über Dinge, die man sonst nur seinen besten Freunden anvertraut!? Vielleicht liegt es daran, dass einen die gleichen Themen beschäftigen: Raus aus dem Alltag, alles war gut zu Hause, aber trotzdem war man nicht zufrieden und es hat etwas gefehlt, man möchte neue Kulturen, Länder, Menschen, Küchen und vieles mehr kennenlernen – und einfach frei sein und die Welt entdecken… Vielleicht liegt es aber auch schlicht daran, dass man sich nach der gemeinsamen Zeit wohl nicht mehr wieder sehen wird. Wer weiß. Jedenfalls gibt es noch einen gemeinsamen Abschiedskaffee am Gate.
Die Ausreise aus Russland verläuft entspannt, genauso wie vor vier Wochen die Einreise. Als der Flieger abhebt, verabschieden wir uns von Russland. Wir sind wehmütig, da es uns in Russland sehr gefallen hat und wir hätten gern noch mehr Zeit für dieses riesige Land gehabt. Trotzdem freuen wir uns auf Thailand und die Wärme. Unser Fazit zu dem Monat in Russland und einige allgemeine Informationen findet ihr im Russland-Abschluss im nächsten Beitrag.
Wladiwostok ist nicht nur der Endpunkt der Transsibirischen Eisenbahn, Wladiwostok ist auch eine lebendige Stadt. Wir haben eine weitere Seite von Russland entdeckt und sind froh über die schöne Zeit. Habt ihr Euch Russland so vorgestellt? Viele Grüße, Jenny und Thomas
Danke für deinen Kommentar! Ja, Wladiwostok ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Wir schreiben schon fleißig am nächsten Bericht 😉 Liebe Grüße
Hallo ihr beiden,
Wladiwostok ist ja wirklich hinreißend, da würde ich auch gern mal ein paar Tage verbringen. So nun zum nächsten Bericht, ich komm ja gar nicht mehr hinterher🤣
Liebe Grüße, Claudia
Lieber Thomas, liebe Jenny,
das war ein interessanter Reisebericht über Russland. Man merkt richtig, wie gut es Euch dort gefallen hat. Dieser Bericht hätte auch Opa (von Thomas) sehr interessiert. Er […] hat oft gesagt, dass er das Land gerne einmal […] besucht hätte. Er mochte den russischen Menschen und auch die russische Volksmusik und die klassische russische Literatur (Tolstoj, Dostojewski u.a.) Leider konnte er diesen Wunsch nie verwirklichen. […] Schön, dass Ihr das könnt. Ich wünsche Euch, dass Ihr trotz des Virus noch viele interessante Länder entdecken könnt. Gute Reise weiterhin!
Marianne
Hallo Marianne! Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar zu unserem Bericht. Persönlich haben uns deine Ausführungen sehr berührt und zum Nachdenken gebracht. In Gedanken sind wir während unserer Russlandreise sicherlich einige Male bei der Familie gewesen. Für die Veröffentlichung auf unserer Seite haben wir deinen Kommentar leicht gekürzt, sodass die Privatsphäre aller geschützt bleibt und keine politischen Aspekte enthalten sind. Wir hoffen, dass du dafür Verständnis hast. Für persönliche Mitteilungen freuen wir uns jederzeit auf deine private Nachricht an reise_mit@weitgluecklich.com
Alles Gute für dich und gerne bis zum nächsten Mal!