Zeit für Abwechslung! Bei einem Ausflug in der näheren Umgebung lernen wir die koreanische Gastfreundschaft kennen. Es wird immer wärmer, bunter und lebhafter auf den Straßen. Einmal stehen wir allerdings auch vor verschlossenen Türen, denn überstanden ist die Viruswelle wohl noch lange nicht.
Virussituation und Wau Park in Hongdae
Die Infektionszahlen sinken weiter auf (teilweise weit) unter 100 Fälle in den letzten Tagen. Heute sind es sogar „nur“ 47 Neuinfizierte, wovon 16 Fälle direkt am Flughafen festgestellt wurden, sodass die entsprechenden Personen direkt isoliert und behandelt werden können. Die weiteren 31 Fälle verteilen sich auf drei verschiedene Krankenhäuser in zwei Provinzen, ein Pflegeheim, wo sich drei Patienten und vier Angestellte angesteckt haben und eine Bar in Gangnam.
So lesen wir jeden Tag den Bericht des Gesundheitsministeriums, aus dem detailliert hervor geht, wo genau sich welche Personen wann angesteckt haben. Wenn in einem Krankenhaus eine Infektion mit dem Virus festgestellt wird, wird das gesamte Krankenhaus unter Quarantäne gestellt und erst wenn alle Anwesenden getestet wurden, darf das Gebäude erneut betreten oder verlassen werden. Bei Ansteckungen im Büro werden genau das Gebäude und die Etage benannt, wo das Virus weitergegeben wurde, damit sich alle die auch dort arbeiten, testen lassen können. Für Bars, Restaurants usw. wird angegeben, an welchem Tag und um welche Uhrzeit die infizierte Person anwesend war. So wissen alle anderen Gäste, ob sie ggf. einem Risiko ausgesetzt waren und sich testen lassen sollten.
Zusätzlich bekommen wir regelmäßig Nachrichten über das staatliche Cell-Broadcast-System, die immer passend zu unserem derzeitigen Aufenthaltsort sind. Sobald es also bestätigte Neuinfektionen in unserem Viertel gibt, bekommt jeder eine Nachricht auf das Handy, wann und wo die Ansteckung stattgefunden hat. Krass? Ja, irgendwie schon. Respekt für die ganze Organisation und die konsequente Umsetzung, die zwar in einigen Punkten sicherlich weiter geht, als es in Deutschland zulässig wäre, uns aber im Moment vor allem ein Gefühl von Sicherheit gibt. Wir haben den Eindruck, die Regierung weiß, was sie tut und sie bekommt die Situation in den Griff. Dies war auch ein Kriterium, warum wir uns für Südkorea entschieden haben.
Das bringt unter anderem mit sich, dass wir die öffentlichen Verkehrsmittel in Seoul noch immer nicht zum Besichtigen der Stadt benutzen (dürfen). Deshalb unternehmen wir einen weiteren Ausflug in den Wau Nachbarschaftspark, der von unserer Wohnung schnell zu erreichen ist. Im Vergleich zu unserem letzen Ausflug hat sich der Park sehr stark verändert, denn jetzt leuchten uns überall gelbe, pinke und weiße Blüten entgegen. Endlich fühlt es sich wie Frühling an. Außerdem sind wir so froh, wieder draußen zu sein, dass wir es kaum in Worte fassen können! Es ist so schön, die frische Luft zu atmen und so ist der Ausflug von Beginn an schon ein Highlight für uns! Einfach nur, weil wir draußen sein können.
Hongdae, Changjeon-dong und buddhistischer Tempel
Bei unserem Spaziergang durch den Park kommen wir wieder an dem großen Sportplatz mit vielen Geräten für Ausdauer- und Krafttraining vorbei. Unser Ziel liegt allerdings ganz am anderen Ende des Parks in Changjeon-dong. Was könnte unseren Ausflug noch toppen? Unser erster Besuch eines koreanischen, buddhistischen Tempels! Deshalb machen wir uns auf den Weg zum King Gongmin Shrine.
Schrein? Tempel? Was denn nun? Das mussten wir uns auch erst anlesen: Das Wort (Shinto-) Schrein wurde ursprünglich für die japanischen Verehrungsstätten gewählt, um diese von den buddhistischen Tempeln zu unterscheiden. Zu erkennen sind die japanischen Stätten des Shintoismus an den typischen roten Toren, die zum Hauptgebäude führen. Es ist allerdings schwierig, die beiden Glaubensrichtungen Shintoismus und Buddhismus klar voneinander abzugrenzen. In Japan haben über mehrere Jahrhunderte beide Ansichten nebeneinander exisitiert und manche Japaner bezeichnen sich auch als Buddhist und Shintoist gleichzeitig.
Aus dieser Vermischung heraus hat es sich etabliert, dass das höchste Gebäude einer koreanischen Tempelanlage, welches meist auch die größte Buddha-Figur beherbergt, als Schrein bezeichnet wird. Eine andere Bezeichnung ist Buddhahalle oder auf Koreanisch Geumdank. Das Wort Tempel meint somit die gesamte Anlage und nicht das Hauptgebäude, den Schrein.
Fast allen koreanischen Tempeln ist gemein, dass sie neben dem Hauptgebäude einen Glockenpavillon haben und der Zutritt zu der Anlage durch das Purimun-Tor erfolgt. Die deutsche Übersetzung ist das Tor des Nicht-Urteilens. Damit ist die Bedeutung schon erklärt: Nachdem man durch das Tor gegangen ist, soll nicht mehr geurteilt werden, z.B. ob etwas gut oder böse ist. Alles ist. Nichts wird bewertet, sondern darf sein. Das Purimun-Tor bringt die Tempelbesucher dazu, die Anlage bewusst zu betreten, indem es entweder über eine steile Treppe zu erreichen ist, man einen großen Schritt über eine hohe Türschwelle machen muss oder sich durch ein niedriges Tor hindurch duckt.
Wir nähern uns dem Schrein vorsichtig und werden dann freundlich begrüßt. Aus dem Nachbargebäude, dem Wohnhaus der Tempelanlage, kommen zwei Mönche heraus und laden uns ein, den Schrein zu besichtigen. Die Farbenpracht und die unzähligen Schnitzereien des Gebäudes beeindrucken uns schon von außen. Vor dem Betreten der Treppe, die zum Schrein führt, lassen wir unsere Schuhe stehen und laufen barfuß weiter, wie wir es bereits aus Thailand kennen. Wir sind die einzigen Besucher und können uns den Schrein in aller Ruhe ansehen. Und damit haben wir ausreichend zu tun: unzählige Buddha-Figuren, eine bunt bemalte Holzdecke, leuchtende Laternen und detaillierte Wandbilder.
Der Tempel in Seoul ist beruhigend und regt zum Nachdenken an
Es ist ruhig in dem Schrein und wir genießen die Atmosphäre. Die Laternen an der Decke sollen Weisheit und Gnade bringen und den Weg zu Buddha erleuchten. Sie sehen wirklich hübsch aus. Als wir die Türe öffnen, um wieder rauszugehen, stolpern wir fast über unsere Schuhe. Irgendjemand hat sie uns hier hoch gebracht, direkt vor die Türe, da wir sie anscheinend nur in dem Schrein selbst nicht tragen dürfen. Das ist ja nett! Zu sehen ist allerdings niemand. Wir verbeugen uns vor dem Schrein und laufen zurück Richtung Wau Park. Am Eingang des Tempels finden wir noch folgende Worte, die wir gerne für uns mitnehmen…
Park Min-ho (children’s book writer), translated by Kim Sun-ae:
If You Don’t Change Your Mind
One day a disciple came to his teacher and said, „Could you change my room?“ – „Why?“ – „When the wind blows, the window rattle so I can’t settle.“ – „How many times did you change rooms?“ – „Three times.“ – „Then you should change your mind, not your room.“ – „Pardon?“ – „If you don’t change your mind, changing rooms doesn’t make a difference.“
Open-air Sport zwischen der Kirschblüte
Bevor wir wieder in unser kleines Appartement gehen, nutzen wir noch die vielen Möglichkeiten auf dem Sportplatz des Wau Parks. Nach der Zeit in der Isolation tut die Bewegung richtig gut. Da wir in zwei Tagen in eine neue Unterkunft umziehen, wird das wohl der letzte Besuch dieses Parks gewesen sein. Aber die Sportgeräte stehen ja zum Glück überall in der Stadt verteilt.
Selbstisolation endet – auf zur Ewha University
Heute ist der letzte Tag unserer Selbstisolation! Juchuu! Zum letzen Mal befüllen wir die staatliche Covid-App und bestätigen, dass wir keinerlei Symptome haben. Das ist ein gutes Gefühl!
Wir erweitern unseren Bewegungsradius und möchten heute die Ewha Woman’s University besuchen. Insgesamt gibt es in Seoul 49 Universitäten mit etwa 47.000 Studenten. Die Ewha Woman’s University ist eine der renommiertesten in Korea und eine der größten Frauenuniversitäten der Welt. Der Campus mit einer Mischung aus sehr alten und modernen Gebäuden gehört mittlerweile zu den Sehenswürdigkeiten von Seoul. Viele Hörsäle finden sich auf den sechs Untergeschossen der Universität. Es gibt aber einen schönen Garten mit vielen Kirsch- und Ginkgobäumen und einem modernen Campus Boulevard. Wir sind gespannt.
Bis zu den Studentenwohnheimen neben dem Eingang zur Uni kommen wir, weiter jedoch nicht. Der komplette Campus ist wegen Covid für Besucher gesperrt. Schade! Jetzt stehen wir bei unserem ersten Sightseeing-Programm vor (für uns) verschlossenen Türen… Wir werfen einen kurzen Blick auf den Eingangsbereich und gehen dann schnell weiter, da der Wachmann schon unruhig wird.
Rund um die Uni gibt es ein interessantes Shoppingviertel. In den rosafarbenen und pinken Geschäften mit viel Glitzer und blinkenden Lichtern gibt es neue Wimpern, bunte Kontaktlinsen für neue Augenfarben, Unmengen an Beautyprodukten und jede Menge hippe Klamotten. Sehr klischeehaft, aber die Nachfrage scheint ausreichend vorhanden zu sein.
Neonwerbung, Restaurants, Bars, Clubs, BBQ,…
Kaum zwei Häuserblöcke weiter stehen wir in einem ganz anderen Viertel. In der Umgebung der Ewha Universität war es zwar belebt, aber sehr ruhig. Jetzt sind wir in dem Stadtteil Chancheon-dong und es ist einfach nur laut, bunt und chaotisch. Dabei sind – vermutlich wegen der aktuell noch geltenden social distancing campaign – nicht viele Menschen unterwegs, aber irgendwie wirkt es trotzdem voll. Vielleicht liegt es daran, dass uns die vielen bunten Schilder und Leuchtreklamen einfach überfordern.
Es ist wahnsinnig interessant und anstrengend zugleich. Wir können uns jedenfalls vorstellen, was hier zu „normalen“ Zeiten los ist. Die Umgebung erinnert uns an die Bilder, die wir von Japan kennen. Wahrscheinlich sind sich die beiden Ländern in vielen Punkten gar nicht so unähnlich – auch, wenn man das in Korea besser nicht laut ausspricht. Aber Japan ist in Deutschland eben bekannter als Südkorea. Wir genießen es jedenfalls durch das Viertel zu laufen und etwas vom koreanischen Leben mitzubekommen. Überhaupt sehen wir mal wieder Menschen! Ja, das ist wirklich toll nach der Zeit, die wir zu zweit in dem Appartement (ohne Fenster) verbracht haben.
Auf der anderen Seite des Viertels Chancheon-dong stehen wir fast schon wieder bei unserer Unterkunft in Hongdae. Es ist wieder ruhig. Auch ohne den Unibesuch war es ein toller Tag mit vielen neuen Eindrücken. Durch die Gyeongui Line Book Street laufen wir zu unserem Appartement und sind sehr zufrieden.
Wohnsituation und Essverhalten in Südkorea
Am letzen Tag in unserem bisherigen Appartement drehen wir am Abend eine Abschiedsrunde durch unser Viertel, nachdem wir den Tag mit packen, putzen und aufräumen verbracht haben. Auch wenn uns viele Straßen in Hongdae mittlerweile schon vertraut sind, entdecken wir bei jedem Spaziergang noch etwas Neues. Im Vergleich zu vor zwei Wochen ist es schon deutlich lebendiger geworden. Wie es scheint, sind viele Studenten die Isolation in den Wohnungen leid und halten sich wieder vermehrt im Freien auf. Dazu muss man wissen, dass viele Leute in Seoul, nicht nur Studenten, in sehr, sehr kleinen Wohnungen leben. Auf fünf bis sechs Quadratmetern, wohlgemerkt einschließlich Küche und Bad, lässt es sich kaum mehrere Tage am Stück aushalten.
Die Bars und die vielen convenience stores haben die Tische und Stühle auf die Bürgersteige gestellt und die Restaurants sind besser besucht als noch vor zwei Wochen. Auch wir haben eine vorsichtige Hoffnung, dass sich die allgemeine Situation in Korea (und überall auf der Welt) bald bessert und wir uns frei bewegen können. Solange genießen wir unsere Nachbarschaft.
Schwierig ist es für uns nach wie vor mit dem Essen klarzukommen. Die Mehrheit der Restaurants bietet ein koreanisches Barbecue an, bei dem man eine Schale Fleisch mit wenigen Beilagen an den Tisch gebracht bekommt. Auf dem im Tisch integrierten Grill kann man sich das Fleisch dann selbst zubereiten. Meist wird es in ein Salatblatt eingewickelt und mit etwas fermentierter Gewürzpaste gegessen. Dabei gibt es eine große Auswahl, von welchem Tier und welchem Körperteil das Fleisch sein soll. Abgesehen von diesen BBQ-Restaurants gibt es auch mehrere Fischrestaurants. Diese haben vor der Eingangstüre verschiedene Aquarien stehen, die so voll mit Fischen und anderen Meerestieren sind, dass sich diese überhaupt nicht mehr bewegen können. Manchmal sind wirklich mehr Tiere als Wasser in den Becken. Bei uns führt dieser Anblick jedenfalls nicht zu Appetit…
Dann würden wir schon eher etwas beim standing coffee am Automat bestellen. Anschließend wird einem der Kaffee vom Personal frisch gemahlen, aufgebrüht und rausgereicht.
Und zum Abschluss wählen wir natürlich den Weg zu uns „nach Hause“, der durch den Bücherpark führt. Ja, wir sagen tatsächlich „nach Hause“. Sobald wir unsere Sachen in einer neuen Unterkunft verstaut haben und ein bisschen die Umgebung erkundet haben, sind wir zu Hause. Das war bisher zum Glück überall so. Dazu brauchen wir gar nicht viel, eigentlich nur eine kleine Ecke für uns. Das kann im Zweifel auch nur ein Hostelbett sein.
Im Park sehen wir viele Kirschbäume, die bereits die Blüten verlieren. Die Dauer der Kirschblüte beträgt ungefähr eine Woche, maximal aber zwei Wochen, wenn wenig Wind ist. Wir sind etwas traurig, dass wir das gewohnte Umfeld verlassen, freuen uns aber umso mehr auf neue Erlebnisse. Dieses Hin- und Hergerissen sein ist auch typisch für uns. Jedes Fleckchen Erde was wir uns angucken ist auf seine Weise schön. Deshalb ist es meist schade zu gehen, aber wir sind aufgeregt und freuen uns auf das Neue und Unbekannte, was auf uns wartet.
Wir haben schöne Eindrücke gesammelt und sind mehr und mehr begeistert von der Hauptstadt Südkoreas. Zwar zehren das Warten und die Isolation an den Nerven, wie es wahrscheinlich fast jeder gerade kennt. Aber wir bleiben positiv und sind überzeugt, dass die ganze Situation am Ende etwas Gutes haben wird. Vielleicht habt ihr auch positive Dinge entdeckt, in dieser ungewissen Zeit? Wir wünschen es uns für Euch alle! Bis bald, Jenny
Die Bilder vom Tempel sind beeindruckend. Aber über welche Zahlen man sich zu der Zeit Gedanken gemacht im Vergleich zu heute betreff Corona ist schon frappierend.
Schön, dass du auch von dem Tempel begeistert bist. Die Details am Gebäude haben uns echt umgehauen!
Derzeit sind es in Südkorea etwas über 400 neue Fälle pro Tag und es wurde eine Maskenpflicht eingeführt. Als wir dort waren haben wir uns auf jeden Fall immer sicher gefühlt. Viele Grüße